Iuna Tinta und ihre größte Inspiration: die Natur

Der Lebensweg zeigt sich erst beim Gehen – und wenn man den Mut hat, auf seine Intuition zu vertrauen, eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten. So ist es auch bei der schweizerischen Künstlerin Corinne Weidmann, aka Iuna Tinta, deren Bilder eine außergewöhnliche Mischung aus indigenen und alpinen Einflüssen haben und inzwischen viele Snowboards von Roxy, Nitro und Co. zieren. Bei Aufenthalten in Costa Rica, Vancouver, London und der Schweiz sammelte sie viele Inspirationen, die ihren einzigartigen Stil ausmachen – und geht einen Weg, der selbst inspiriert.

 

Hi Corinne, ich bin erst kürzlich über deine Werke gestolpert und seitdem sehe ich sie überall, wie z.B. auf dem neuen Nitro Drop Snowboard…. Was verbindet dich mit Snowboarden?

Die Natur, das Gefühl von Freiheit, aber auch das Einssein mit den Bergen, die vielen Erinnerungen und schlussendlich auch meine Heimat selbst, ist was mich mit dem Snowboarden verbindet.

Was bedeutet eigentlich der Name Iuna Tinta?

Iuna ist ein Vogel aus dem Amazonas, Tinta bedeutet Tinte.

 

Kannst du uns bitte erzählen wo und wie du aufgewachsen bist und wann du deine Leidenschaften entdeckt und deinen Weg gefunden hast.

Ich komme aus der Schweiz und bin mit den Bergen aufgewachsen. Sie waren so normal, dass ich sie manchmal nicht einmal mehr wahrgenommen habe. Das Leben mit und in den Alpen ist Teil unserer Kultur und Kinder scheinen schon auf den Skiern zu stehen, bevor sie richtig gehen können; so war das auch bei mir und meinen zwei Brüdern.

Gemalt und gezeichnet habe ich eigentlich schon immer, aber meinen Weg habe ich lange nicht gefunden. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich gemerkt habe, dass ich meinen Weg nicht finden kann, weil es ihn nicht gibt. Obwohl ich nie daran gedacht habe Künstlerin zu werden und entgegen allen Vorurteilen über diesen ‚Beruf’, so habe ich mich dann doch intuitiv in diese Richtung entwickelt, da es das Einzige war, was für mich gestimmt hat. Da ich aber auch ein recht pragmatischer Mensch bin, habe ich mich dazu entschlossen Grafikerin zu werden, da mir dies realistischer schien. Obwohl ich nicht bei der Grafik geblieben bin, so habe ich es trotzdem nie bereut, denn wir haben unglaublich viel Praktisches gelernt, was ich auch heute noch täglich für meine Arbeit mit den Snowboards brauche. So richtig auf meinen jetzigen Weg gekommen bin ich dann in Costa Rica, als ich angefangen habe kleine Schwemmholz-Malereien an Touristen zu verkaufen, da ich mir das Rückflugticket nicht leisten konnte. Das war quasi der Anfang von dem, was ich heute mache.

Du lebst inzwischen nicht mehr in der Schweiz… Wo hat es dich überall hin gezogen und warum?

Unbekannte Orte haben mich schon immer magisch angezogen und durch einen Freund aus Peru habe ich sehr früh meine Liebe zu Lateinamerika entdeckt. Die Kultur, die Farben und Muster sind eine unglaubliche Inspiration für mich, die man teilweise sehr deutlich in meinen Arbeiten erkennen kann.

Eigentlich wollte ich nach dem Studium für drei Monate durch Costa Rica reisen, bin dann aber bereits im ersten Dorf hängen geblieben und habe für zwei Jahre in einem Surfcamp als ‚Frühstücksfee’ gearbeitet. Danach hat es mich – einer Intuition folgend – nach Vancouver gezogen, wo ich dann prompt zwei Wochen später meinen ersten Auftrag für Roxy bekommen habe. Vor dieser Zeit habe ich mich jeweils mit Jobs aller Art durchgeschlagen, ab dann konnte ich mich dann komplett der Kunst / Illustration widmen. Mein Leben war teilweise sehr minimalistisch und ich war oft pleite, aber ich habe es trotzdem immer irgendwie hinbekommen die Miete am Ende des Monats zu bezahlen. Mit den Jahren ging es langsam aufwärts und heute lebe ich zwar immer noch eher genügsam, aber das ist meine Natur. Ich bin es nicht gewohnt viele Dinge zu besitzen, und ganz ehrlich, ich bin dankbar dafür.

Hört sich an, als würdest du sehr auf deine Intuition vertrauen…?

Ja, ich höre eigentlich nur auf meine Intuition. Es liegt wahrscheinlich auch an der Natur des Weges, den ich eingeschlagen habe. Da es ihn nicht gibt, muss man auf sich selbst vertrauen können, um das ‚Richtige’ oder das Stimmige zu tun.

Was zieht dich immer wieder an neue Orte?

Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, dass es daran liegt, dass ich nie vor hatte an den jeweiligen Orten zu bleiben. Im Prinzip ist es wie eine lange Reise, nur dass ich gerne tief eintauche, das Leben an dem jeweiligen Ort für eine Weile lebe und dann irgendwann wieder weiter ziehe. Im Nachhinein gesehen haben mich die verschiedenen Ort sehr viel über das Leben gelehrt und jeder, auch wenn es noch so schwierig oder teilweise stressig (London) war, war für sich wichtig. Weg zu sein gibt einem auch die Möglichkeit, das eigene Land einmal aus einer andern Perspektive zu betrachten und wertschätzen zu lernen.

Was ist Heimat für dich?

Heimat ist, wenn man sich selbst gefunden hat; dann ist man überall zuhause.

Was bedeuten dir Surfen und Snowboarden?

Surfen hat mich gelehrt loszulassen und die Dinge so zu nehmen, wie sie kommen und das Beste daraus zu machen. Das Meer hat eine so wunderbare Art einen auf dem Boden zu behalten. Jedes Mal wenn man denkt, dass man es kann, so bekommt man eins auf den Deckel. Damals in Costa Rica saß ich früh morgens um 6 oft alleine im Line-up und vergaß beinahe die Wellen. Das stetige und sanfte auf und ab, die glasklare, glatte Meeresoberfläche, vor mir nichts als Horizont – das war pure Meditation.

Snowboarden ist ähnlich, aber doch anders. Die Landschaft und deren Charakter sind gänzlich verschieden. In den Bergen fühle ich mich zuhause, ich kann mir ein Leben ohne sie nicht vorstellen da ich sie schon seit jeher kenne. Beim Snowboarden kann ich mich kreativ entfalten, habe meinen eigenen Stil – ähnlich wie beim malen. Die Berge als riesiger Spielplatz, die einem aber auch deutlich zeigen wie klein und zerbrechlich man ist. Beides, Surfen und Snowboarden sind wesentliche Aspekte meines Lebens, sie sind mehr als Sport und beeinflussen mein ganzes Sein.

Momentan lebst du in Berlin. Vermisst du nicht die Berge und das Meer?

Obwohl ich die Stadt sehr gerne mag, da es viele kreative Inputs gibt und man an jeder Ecke etwas Neues entdecken kann, so vermisse ich die Natur doch sehr. Ich habe nie vorgehabt für immer in der Stadt zu leben, sondern wollte sie einfach eine Zeit lang ausprobieren. Wenn die Zeit gekommen ist, dass es sich nicht mehr stimmig anfühlt, dann werde ich weiter ziehen, aber im Moment stimmt es noch.

Ich habe das Gefühl, dass viele kreative Menschen Snowboarden oder Surfen. Was haben Surfen/Boardsport und Kunst gemeinsam?

Obwohl es sowohl beim Surfen als auch beim Snowboarden Wettbewerbe gibt, so ist das dennoch nicht die treibende Kraft dahinter. Es ist die Kreativität, welche Boardsport und Kunst gemeinsam haben; die Möglichkeit sich frei entfalten zu können, jeder in seiner ganz persönlichen und eigenen Art.

Was inspiriert dich?

Es kann mich eigentlich alles inspirieren – ich habe keine Kontrolle darüber.
Plötzlich siehst, hörst oder riechst du irgendwo etwas und es löst sofort ein bestimmtes Gefühl aus, das man irgendwie umsetzen will. Was mich allerdings immer inspiriert, ist die Natur und Kunsthandwerk.

Viele deiner Bilder zeigen Berglandschaften und mit deiner Serie über Gletscher möchtest du auf die Erderwärmung und Umweltverschmutzung aufmerksam machen. Welche Botschaft möchtest du den Betrachtern auf den Weg geben?

Zum einen geht es in meinen Bildern um die Schönheit dessen, was wir haben und was wir im Begriff sind zu verlieren. Anstatt mit dem Finger zu zeigen, versuche ich im Betrachter ein Gefühl von Verbundenheit und Liebe auszulösen; für diese Orte und das komplexe System zu welchem wir ebenfalls gehören, obwohl wir es manchmal vergessen.

Zum anderen habe ich durch die direkte Zusammenarbeit mit Glaziologen und Geomorphologen der Universität Zürich eine komplett neue Sichtweise auf die Landschaft bekommen. Die Geomorphologie befasst sich mit den Formen der festen

Erdoberfläche – das heißt man lernt auch eine Landschaft zu ‚lesen‘. Jede Umgebung ist somit sehr viel mehr als eine bloße Momentaufnahme oder eine schöne Aussicht, sondern offenbart gleichzeitig auch einen Blick in die Vergangenheit. In unserer Zusammenarbeit versuchen die Geomorphologin und ich Bilder zu entwickeln, in welchen der Blick des Betrachters weg von der ‚Idee der Landschaft‘ und hin zu den bloßen Formen gelenkt wird. Die Bilder sollen die Betrachter dazu anregen, bei ihrem nächsten Spaziergang in den Bergen einmal genauer hinzuschauen.

Als freischaffende Künstlerin ist es sicher nicht immer einfach. Wie kommst du durch Zeiten mit weniger Aufträgen?

Ich versuche meine Lebenskosten gering zu halten, habe keine große Wohnung und wenig Dinge. Ich mag die Vorstellung ohne großen Aufwand wieder abreisen zu können. Das gibt mir ein Gefühl von Freiheit und gleichzeitig ist es praktisch, wenn ich mal weniger Aufträge habe.

Als snowboardende Künstlerin ist es für viele ein Traum Snowboards zu designen… wie bist du dazu kommen?

Ich wollte die Dinge, die ich am meisten liebe, miteinander verbinden. Der Snowboarder Jamie Lynn hat schon vor 20 Jahren Kunst für Lib Tech Snowboards gemacht, was mich damals und auch heute noch total inspiriert hat. Mittlerweile haben wir auch schon ein paar Mal zusammen ausgestellt.

Ich habe damals ein Portfolio mit meinen Arbeiten zusammengestellt und es an jeden versendet, den ich gefunden habe. Ich habe Magazine, Brands, Shops und alle möglichen Leute angeschrieben. Meistens bekam ich keine Antwort, aber das ist normal. Davon darf man sich nicht entmutigen lassen. Irgendwann passt es, irgendwann trifft man genau auf die Leute, die genau deine Arbeit wollen.

Hast du Tipps für angehende Künstlerinnen?

  1. Die Angst vor dem Versagen war mit Abstand größer als alles was bisher in der Realität eingetroffen ist.
  2. Dieser Weg erfordert das Maximum an Einsatz und Arbeit, auch wenn es von außen oft nicht so aussieht. Wenn man bereit ist alles dafür zu geben, dann wird man es früher oder später auch schaffen.
  3. Auf keinen Fall auf die Kritiker hören, die sagen, dass dieser Weg unrealistisch ist, oder dass man es nie schaffen wird.

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