Länger Spaß beim Biken – mit dem richtigen MTB-Sattel

 

Beim Biken geht es um die richtige Einstellung – auf dem Bike, aber auch das Bike an sich sollte richtig eingestellt sein. Denn mit Schmerzen und Taubheitsgefühlen hat man auf der MTB-Tour nur halb so viel Spaß. Vor allem beim Hochtreten macht der richtige oder falsche Sattel den Unterschied zwischen einem schönen Tag in der Natur und qualvollen Stunden auf dem Rad. Doch mit dem passenden Equipment und der richtigen Sitzposition kann man Komfort, Kraftübertragung und Effizienz beim Biken optimieren. Wir wollen uns hier der richtigen Auswahl von Sattel und Griff widmen, den zwei wichtigsten Kontaktpunkten zwischen Mensch und Bike. Dazu sprachen wir mit Janina Haas, die bei Ergon Teil des Entwicklungsteams ist und den Ergonomiebereich leitet.

 

Hallo Janina, stell dich doch bitte kurz unseren Leser:innen vor.

Ich heiße Janina Haas, bin 35 Jahre alt, wohne in Koblenz und komme ursprünglich aus Hessen. Ich habe Sportwissenschaft in Gießen und an der Deutschen Sporthochschule Köln studiert und bin 2013 über meine Masterarbeit zu Ergon gekommen. Seit September 2013 arbeite ich fest in der Entwicklungsabteilung bei dem Koblenzer Ergonomie Spezialisten. Seit meinem 19. Lebensjahr betreibe ich intensiv Radsport – vorwiegend auf dem Mountainbike und Rennrad. Weitere Hobbies sind Surfen, Yoga, Reisen und Lesen.

 

Was sind deine Aufgaben bei Ergon? Und wie bist du zu deinem Job gekommen?

Ich bin die Teamleiterin unserer Ergonomieabteilung. Unsere Aufgabe im Ergonomieteam ist es, dafür zu sorgen, dass unsere Produkte zum jeweiligen Einsatzbereich passen, die Radfahrer:innen nicht einschränken, sondern möglichst gut bei den Bewegungen und Anforderungen auf dem Rad unterstützen. Die komfortabel sind und einfach für mehr Freude beim Biken sorgen, indem man komplett vergessen kann, dass man einen Sattel oder Griffe am Rad hat oder einen Rucksack/Hip Pack trägt, weil man ihn einfach nicht spürt. Da ich seit meinem 19. Lebensjahr selbst aktiv Rennrad und Mountainbike fahre, habe ich mich bereits während meines Sportstudiums im Bereich Radsport spezialisiert und meine Masterarbeit bei Ergon geschrieben – dort hat es mir so gut gefallen, dass ich dortgeblieben bin. Meine Studiengänge waren im Bachelor Sportwissenschaft mit einem Schwerpunkt in Sportmedizin und im Master eine Mischung aus Sport- und Ingenieurwissenschaft.

Janina Haas

Welche Faktoren spielen denn bei der Ergonomie beim Radfahren eine Rolle? Und wie hat dies Einfluss auf das Fahren?

Vor allem die Art des Rades und das, was man mit dem jeweiligen Rad macht, beeinflusst, wie ich optimal auf dem Bike sitzen sollte. Dabei entscheidet die Sitzposition über die Körperwinkel und Lastverteilung zwischen den Kontaktpunkten. Außerdem spielen auch die Häufigkeit, Länge und Intensität der Ausfahrten eine entscheidende Rolle.

Ein wichtiger Faktor ist natürlich auch die individuelle Anatomie, definiert durch z.B. Geschlecht, Körpergröße, Körpersegmentlängen, Beckenform und -dimensionen, Weichteilgewebe, Rumpfstabilität, Beweglichkeit und Handsegmentlängen.

Auch die Bekleidung kann Einfluss auf die ergonomischen Verhältnisse nehmen. Alles spielt in einer Art Wechselwirkung zusammen und bestimmt die Wahl der passenden Produkte und somit den Komfort und den Spaß auf dem Bike.

Für uns eine wichtige Frage: Wie finde ich den perfekten Sattel für mich?

Zuerst muss ich mir die Frage stellen, welches Rad habe ich und was mache ich damit? Bin ich z.B. mit einem Trailbike unterwegs und lege den Fokus auf lange Touren mit vielen Trail-Tiefenmetern, so erfordert dies einen guten Kompromiss aus Komfort bergauf und optimaler Bewegungsfreiheit bergab. Hierbei sind Sattelbreite und Sattelform enorm wichtig, um eine ausreichende Unterstützungsfläche und eine fließende Sattelform zu schaffen. Dadurch erreiche ich eine gute Druckverteilung beim Sitzen und kann beim Stehen den Sattel als Steuerelement nutzen ohne daran hängen zu bleiben. Bei Ergon schneiden wir unsere MTB-Women Sättel speziell auf die weibliche Beckenbereichsanatomie zu und stellen in zwei verschiedenen Größen sicher, dass für jede Fahrerin die für sie passende Unterstützungsfläche zur Verfügung steht.

Die Form, Breite, Art der Genitalentlastung, Paddinghöhe und -härte – alles muss zum Einsatzbereich und der Anatomie passen. Je sportlicher ich auf dem Rad sitze und je schmaler mein Sitzknochenabstand ist, desto schmaler kann der Sattel sein und desto besser sollte die Genitalentlastung sein. Je häufiger und länger ich fahre, desto straffer sollte der Sattel sein. Je mehr ich den Fokus auf bergab lege, desto fließender sollte der Sattel-Shape sein. Nur um einmal eine kleine Übersicht über alle Facetten des Radfahrens zu geben… Das Thema ist ziemlich groß und sehr komplex.

Jana Mountainbiken

Wie finde ich den perfekten MTB-Sattel für mich?

Welche verschiedenen Arten von Sätteln gibt es?

Wir unterscheiden hier zwischen den jeweiligen Einsatzbereichen und dann natürlich noch zwischen Frau und Mann. Im Mountainbike-Bereich wären das:

• MTB Touring Cross-Country

• Marathon All-Mountain

• Trail Enduro

• Downhill/Gravity

Wie wichtig ist es meinen Sitzknochenabstand beim Sattelkauf zu beachten?

Der Sitzknochenabstand bestimmt die Sattelgröße. Die richtige Sattelgröße sorgt für die optimale Abstützung der knöchernen Strukturen und somit für eine Entlastung des empfindlichen Weichteilgewebes, Nervenbahnen und Blutgefäßen – und somit wieder mehr Spaß durch mehr Komfort auf dem Rad. Deinen Sitzknochenabstand kannst du im Shop ausmessen oder wenn kein Radhändler in deiner Nähe ist, mithilfe des Online-Tools auf unserer Website annähern.

Was ist bei Sätteln für Frauen anders als bei Unisex-Sätteln oder welchen speziell für Männer?

Unsere Frauensättel sind speziell auf die weibliche Beckenanatomie zugeschnitten. Insbesondere beim sportlichen Radfahren sitzt man nicht auf den Sitzbeinhöckern, da dazu das Becken viel zu aufrecht gehalten werden müsste und man die Wirbelsäule, insbesondere im Bereich der Lendenwirbelsäule, in eine unphysiologische Haltung bringen würde. Man belastet Bereiche, die weiter vorne liegen.

Aus diesem Grund machen unterschiedliche Frauen- und Männersättel wirklich Sinn, da sich die Geometrie von Sitz und Schambein zwischen beiden Geschlechtern total unterscheidet.

Das Frauenbecken ist so geformt, dass bei der Geburt der Kopf des Kindes durchpasst und daher weisen die Schambeine die Form eines umgedrehten „U“s auf. Auch sind die Genitalien bei Frauen nicht mobil, wir sitzen darauf. Somit muss der Sattel ganz anders geformt sein, um das Weichteilgewebe zu entlasten, als dies bei Sätteln für Männer der Fall ist. Unsere Frauensättel weisen einen leicht verbreiterten Mittelbereich auf und haben eine andere Art der Entlastung im Genitalbereich, weiterhin steigen sie nach hinten ein klein wenig mehr an, um den Druck im Sitzbereich optimal zu verteilen.

Ergonomie auf dem MTB

Kann ich einen Sattel online bestellen oder probiere ich mich am besten im Laden durch?

Ein passender Sattel macht einen großen Unterschied und wenn ich nicht genau weiß, was ich benötige, macht es immer Sinn, sich beraten zu lassen. Mit der richtigen Beratung lässt sich der Kreis der infrage kommenden Sättel gut ausdünnen und die Testprozedur vereinfachen – denn trotz aller Theorie gilt beim Sattel am Ende: Probieren geht über Studieren.

Welchen Unterschied kann der perfekte Sattel für mich beim Mountainbiken machen?

Spaß! Einfach nur mehr Spaß am Radfahren. Ich kann längere Touren machen, mehrere Tage hintereinander auf dem Rad sein, nach dem Radfahren schmerzfrei auf die Toilette gehen oder andere auch Sachen machen … ;).

Außerdem lassen sich mit dem passenden Sattel irreversible Schädigungen der Haut oder den Lymphgefäßen vermeiden. Bergab muss ich keine Angst haben, dass mein Sattel mich an einer technischen oder sehr steilen Stelle vom Rad schießt oder festhält …

Jana Mountainbiken

Was muss ich bei der Auswahl und dem Kauf von Griffen beachten?

Ganz wichtig ist, dass die Griffform zum Einsatzbereich und meiner Handgröße passt. Bei sehr tourenorientiertem Fahren mit nahezu keinem Trail-Anteil oder nur leichten Trails, kann ein Griff mit einem kleinen Flügel für mehr Komfort sorgen. Fahre ich jedoch sehr gerne und viele, lange, ruppige Trails, ist Dämpfung und ein guter Grip ein wichtiges Thema. Flügelgriffe können hier durch ihre ausgeprägte Form störend sein. Der Griff sollte einen für meine Handdimensionen passenden Durchmesser haben, um ein angenehmes Greifgefühl zu vermitteln und ohne Muskelschmerzen und -verkrampfungen zu erzeugen. Der positive Einfluss einer optimalen Lenkerwahl und Cockpiteinstellung sowie einem gut eingestellten Fahrwerk, wie auch einem passenden Reifen mit dem richtigen Luftdruck, sind hier nicht zu unterschätzen.

Wie spielen Griffe und Sattel zusammen?

Die beiden stellen die wichtigsten Kontaktpunkte des Körpers zum Bike dar und führen bei unpassender Produktwahl oder Einstellung oft zu Problemen.

Die Einstellung von Sattel zu Lenker bestimmt die Lastverteilung zueinander – Probleme in einem Bereich können zu Ausweichhaltungen führen und dadurch den anderen Bereich ebenfalls negativ beeinflusse

Hast du einen Lieblings-Sattel und Griffe?

Ja, bei den Griffen ist das der GE1 Evo Slim und bei unseren Sätteln der SM Women jeweils in Größe S/M. Damit kann ich alles fahren, was das Mountainbiken für mich ausmacht – sowohl lange Touren mit vielen Höhenmetern, als auch technische Trails mit schnellen Downhill-Passagen. Aber auch im Bikepark mit all seinen Facetten und Obstacles fühle ich mich damit sehr wohl.

Noch mehr Tipps und Storys rund ums Mountainbiken findest du in der aktuellen MTB-Ausgabe „Ups and Down“

Golden Ride Little Wonders Snow Issue

Ups and Down

MTB Issue 23

In dieser Ausgabe, wir lassen unserer Reiselust freien Lauf, entdecken neue Trails und schlängeln uns zwischendurch auf lokalen Pfaden entlang. Auf über 100 Seiten berichten abenteuerlustige Mountainbikerinnen von ihren Bike-Trips und geben intime Einblicke in ihr Leben, das voller Höhen- und Tiefenmetern ist.