Baby on Board

Roadtrip als frisch gebackene Eltern

Den Wellen hinterher reisen. Mit meinem Surfboard unterm Arm einfach drauf losziehen. So habe ich in den letzten Jahren am liebsten meine freie Zeit verbracht. Mal alleine, mal mit Freunden – ganz egal, einfach spontan. Das war nie ein Problem, weder als Single noch mit meinem Freund, der meine Liebe zum Surfen teilt. Doch im Mai 2017 bekamen wir unseren Sohn Emil – und damit auch eine große Verantwortung. Bedeutet eine Familiengründung Schluss mit dem Halligalli Leben? Werden die Surfboards nur noch als Wand-Deko dienen? Der Urlaub nur noch auf Balkonien stattfinden? Weder noch. Wir machten zwei Monate lang den klassischen Euro Surf Roadtrip am Atlantik – als kleine Familie.
Unsere ersten Stopps waren Moliets und St. Girons, wo wir einige alte Surfbekannte trafen. Die eigneten sich auch gut als Babysitter, sodass mein Freund und ich schon bald zusammen ins Wasser gehen konnten. Das Gefühl, nach einem Jahr Pause endlich wieder auf einem Surfboard zu liegen war unglaublich! Darauf zu stehen war etwas schwieriger… Frankreich begrüßte mich nicht gerade mit Mama-freundlichen kleinen Wellen zum wieder Reinkommen, sondern mit Mördersets. Völlig fertig vom teilweise erfolglosen Rauskämpfen munterte mich aber stets der kleine Emil auf, wenn ich von der Session zurück kam. Nach drei Tagen Eingewöhnungsphase, in denen er noch etwas quengelig war, gefiel es ihm nun ziemlich gut in Frankreich. 

Wenn kein Babysitter parat war, wechselten wir uns mit dem Surfen ab. Bevor ich ins Wasser ging, legte ich den Kleinen immer nochmal an, damit er keinen Hunger während meiner Session bekam. Da ich ihn voll stillte und er ein kleiner Nimmersatt ist, konnte ich mich anfangs im Wasser zugebenermaßen schlecht entspannen. Ich fragte mich ständig, ob ich noch ein paar Wellen nehmen kann oder der Kleine eventuell quengelt und an die Brust will. Doch selbst wenn er unruhig wurde, schlief er bei einem Ablenkungs-Spaziergang mit Papa meist ein und hielt zwei Stunden durch. Nach und nach konnte ich mich dann auch mehr entspannen und meine Zeit im Wasser genießen. 

Abends bedeutete stets Cluster-Feeding Zeit, d.h. der Kleine haute sich vor dem Schlafengehen nochmal richtig den Bauch mit Milch voll. Für die Zubereitung unseres Essens auf dem Gaskocher war also meist mein Freund verantwortlich. Essen gehen klappte nicht so gut, da Emil abends vor dem Schlafen oft eine Quengelphase hatte und herum getragen werden wollte. Entspannt im Restaurant zu sitzen, war da eher schwierig. Es sei denn, man wechselte sich mit dem Essen ab und riskierte, dass es kalt wird… Wir zogen es also vor selbst zu kochen, denn das ist zum einen günstiger und zum anderen hatten wir Einfluss auf die Menge. Jeder Surfer weiß, wie viel Kohldampf man nach einem ausgiebigen Surf-Tag hat. Dass das aber noch nicht dem Maximum an möglichem Hungergefühl entspricht, durfte ich als stillende Mutter nun erfahren. Ich aß ja quasi für zwei und entwickelte mich zur absoluten Fressmaschine. Viele Tafeln Schokolade zum Nachtisch und für Zwischendurch sollten auf jeden Fall stets parat sein, um nicht in Unterzucker zu kommen! 

Nach zwei Wochen bekamen wir Besuch von meinen Eltern. Da wir mit ihnen zusammen wohnen wollten, mieteten wir für vierzehn Tage eine Ferienwohnung am Strand von Seignosse. In der ersten Zeit hat es wirklich viel geregnet und alle unsere Sachen waren dauerfeucht, dieser Luxus kam uns also sehr gelegen. Wir wuschen und trockneten alle unsere Sachen und hatten sehr viel Zeit für gemeinsame Surfsessions, während sich die frischgebackenen Großeltern mit abgepumpter Milch eifrig um den Kleinen kümmerten.
Mittlerweile meinte es der Ozean auch besser mit uns, meine Paddel-Fitness kam zurück und ich konnte endlich wieder auf den Wellen performen. Mir fiel aber noch eine Veränderung an mir auf. Ich war früher immer recht furchtlos und stürzte mich trotz mangelnden Könnens in die größten Wellen. Jetzt als Mama fühlte ich mich verantwortungsvoller und traute mich oft nicht mehr, in größere Dinger zu ziehen. Der Kleine braucht mich ja. Aber das ist ja auch ein absolut schönes Gefühl.

Nach der Zeit mit meinen Eltern legten wir zum ersten Mal mehr Strecke auf unserem Roadtrip zurück. Es ging nach Spanien. Mit frisch gewaschenen Klamotten, die Emil kaum, dass die Waschmaschine
nicht mehr vorhanden war, erst mal komplett einweihte. Da wir keine Lust hatten, dass der Geruch uns für den Rest des Trips begleitete, mussten Ozean und Sand wohl oder übel als Waschstätte für das Gröbste dienen. Nach diesem kleinen Malheur campten wir mit Freunden, die ebenfalls mit einem Bus unterwegs waren, neun Tage lang wild in Laga im Baskenland. Neun Tage Wildcampen mit Baby im Gepäck – geht das? Es war fantastisch. Emils Essen war durchs Stillen stets in perfekter Temperatur und Zusammensetzung parat. Es sei denn, ich war gerade Surfen. Es gab glücklicherweise eine Stranddusche, wodurch wir Wasser zum Trinken, Kochen und Abwaschen hatten und somit alles, was wir brauchten. Und in der freien Natur schlafen Babys einfach am allerbesten! Die nächtlichen Aufwachphasen waren beim Wildcampen viel seltener. 

Wir kauften uns ein neues, größeres Board mit viel Volumen, das mir einige entspannte Surfsessions schenkte und auf dem ich große Fortschritte machen konnte. Auf ein größeres Board umzusteigen ist denke ich eine wirklich gute Option, um als noch nicht wieder ganz fitte Mama trotzdem viel Spaß in den Wellen zu haben. 

Weiter ging es nach San Vincente de la Barquera, wo wir noch einmal vier Tage wildcampten. Danach wurde es mal wieder Zeit für eine ordentliche Dusche mit Shampoo. Wir gönnten uns deshalb zwei Nächte auf dem Campingplatz in Kantabrien. Bei relativ leeren Line-ups, netten Locals und fantastischen linken Wellen hatten wir die bisher besten Sessions unseres Trips. Wir fuhren überglücklich und frisch geputzt weiter nach Galizien. Diesmal ohne Malheur. Die Fahrt war mit ca. fünf Stunden unsere bisher längste Autofahrt. Als wir ankamen, erwartete uns ein wunderschöner Parkplatz zum erneuten Wildcampen mit Blick auf den Spot Pantin und den Sonnenuntergang. Die Wellen waren sehr groß, weshalb der Papa mehr zum Surfen kam, während ich mit dem Kleinen in der traumhaften Gegend bei strahlendem Sonnenschein entspannte. 

Für die letzten zwei Wochen entschieden wir uns, bis nach Portugal zu fahren. In Nazaré, was neben dem Big Wave Spot übrigens auch ein wunderschöner Ort ist, kamen wir nach langer Zeit mal wieder in der Zivilisation an. Und wurden sehr freundlich empfang-en. Es ist wirklich unglaublich, wie sehr sich Portugiesen über kleine Babys freuen. Manchmal so sehr, dass Fremde den Kleinen direkt abknutschten. Emil brabbelte in der Zeit sehr viel vor sich hin, und ein bestimmter Laut hörte sich immer wie ein freundliches „Hola“ an. Zufall? Die Portugiesen strahlten zumindest noch mehr vor Freude.

In Peniche stellten wir unseren Bus direkt am Spot ab und verbrachten dort unsere nächsten Tage. Die zahlreichen Cafés am Parkplatz ermöglichten entspannte „Galaos“ (port. Latte Macchiatos) für meinen Freund und interessante Kaffeelöffel für den Kleinen am Morgen. In dieser Zeit konnte ich nochmal die Augen zumachen, um ausgeschlafen in den Tag zu starten. Wir hatten gute Sessions mit teilweise nicht so entspannten Locals im Wasser. Die konnten ja nicht wissen, dass wir ein so süßes Baby am Strand haben…

Da ein Sturm vorhergesagt war und die Wälder um uns brannten, fühlten wir uns in unserem Bus nicht gut genug gewappnet. Deshalb mussten wir uns wohl oder übel in der Nähe für vier Nächte ein Hotel buchen. Die Hotelbesitzerin überschlug sich mit Gastfreundlichkeit und wusch unsere komplette Wäsche. Somit waren wir perfekt vorbereitet für die leider schon letzte Woche unseres Trips. Der Atlantik beglückte uns noch einmal mit super Wellen. Außer-dem bestaunten wir die Pros auf der World Tour. Wir mussten allerdings etwas abseits stehen, da die Ansagen aus den Boxen zu laut für Emil waren. Wer näher dran sein möchte, sollte spezielle Lärmschutz-Kopfhörer für sein Baby mitnehmen.

In Peniche trafen wir außerdem extrem viele andere kleine Familien, die ebenfalls auf Surf Roadtrip waren. Durch die ähnliche Situation kamen wir mit ihnen oft schnell ins Gespräch und fanden neue Freunde. Während der andere gerade surfen war, konnten wir nun mit dem jeweiligen anderen Elternteil und Baby gemeinsam eine schöne Zeit an Land verbringen. Für die letzten Tage wollten wir den Crowds im Wasser entkommen und fuhren nach Ericeira. Von dort war es dann nicht mehr weit bis zum Flughafen in Lissabon, wo Emil und ich schweren Herzens den Heimflug antraten. 

Es war wunderbar. Ein Surf Roadtrip mit Baby funktioniert super. Vor allem in den ersten sechs Monaten, in denen sich das Baby noch nicht fortbewegen kann. Denn ich denke, sobald die Kleinen krabbeln, könnte es bei schlechtem Wetter ein wenig eng werden im Bus. Dann ist eine Ferienwohnung praktischer. 

Uns war wichtig Emil in seinen ersten Lebensmonaten ein gewohntes Umfeld und Zuhause zu bieten. Ich denke, dass das im Bus durch den immer gleichen Schlafplatz gut geklappt hat. Emil hat super geschlafen und wurde nie krank. Sicherlich hatten darauf auch die freie Natur und die Meeresluft einen Einfluss. 

Sehr wertvoll war es auch, ab und zu Leute da zu haben, die ein paar Stunden Babysitten konnten. Gemeinsame Surfsessions, Ausschlafen oder einfach Quality-Time mit dem Partner tun unheimlich gut zwischendurch. Wir waren deshalb froh, dass wir uns für einen Surftrip in Europa entschieden hatten. So war es nicht so weit für Oma und Opa sowie andere Freunde.

Zum Surfen kamen wir insgesamt etwas weniger als bei Trips ohne Baby. Doch die wunderschöne Zeit, die wir zusammen hatten, war mehr Wert als eine weitere Session am Tag. Warum also nicht mit Surfboard unter einem Arm und Baby auf dem Anderen die Welt bereisen!?

TO-DO Liste vor einem Surftrip mit Baby

1. Frei nehmen

• als Student/in: Nimm dir ein Urlaubssemester! An den meisten Universitäten in Deutschland hast du die Möglichkeit mehr als die üblichen zwei Urlaubssemester zu nehmen. In München z.B. stehen dir bis zu sechs Urlaubssemester für Kindeserziehung zu.

• als Berufstätige/r: Beantrage Elternzeit! Pro Paar könnt ihr euch vierzehn Monate Elternzeit aufteilen, wobei eine Person maximal zwölf Monate nehmen darf. Das Elterngeld beträgt 67% des Durchschnittsgehalts der letzten zwölf Monate. Auch als Student/in oder Arbeitslose/r kannst du Elternzeit nehmen und bekommst pro Monat den Mindestsatz von 300 €.

2. Reisezeit

Nebensaison! In der Hauptsaison ist es zu heiß, teuer und voll. Im September und Oktober sind die Wellen besser und es ist trotzdem noch angenehm warm. Außerdem ist Wildcampen in der Nebensaison kein Problem mehr. 

3. Auto/Flüge organisieren

Wir kauften einen gebrauchten T4 California mit Klappdach, den wir nach dem Trip zum gleichen Preis wieder verkauften. Im Bus schliefen wir unten, da es uns oben zu dritt zu eng war. Das Klappdach benutzten wir als Gästebett für unseren Besuch.

Außerdem buchten wir einen Hinflug für Emil und mich, da es schlecht für den Rücken eines kleines Babys ist, so eine weite Strecke wie nach Frankreich im Maxicosi zu sitzen. Alternativ könnte man sich natürlich auch mehr Zeit für die Fahrt nach Frankreich nehmen und Zwischenstopps einplanen.

4. Packen

Was braucht ein dreimonatiges Baby auf einem Surftrip? Eigentlich nicht viel, denn Alltagsgegenstände oder Dinge von Mama und Papa sind meist interessanter als die eigenen Spielsachen. Folgendes hat sich aber gut bewährt:

• Tragehilfe oder Tuch (kein Kinderwagen, der nimmt nur Platz weg und schiebt sich schlecht am Strand)

• Spieluhr zum Beruhigen und Einschlafen

• ein warmer Wollschlafsack

• Decken zum Rumliegen

• Mullwindeln

• Klamotten aus Wolle (trocknen schnell und müssen nicht oft gewaschen werden)

• Maxicosi

• Kinderwagenoberteil als Babybett

• Hände-Desinfektion zum Wickeln 

• Sonnenhut

• Baby-Sonnencreme