Die Olympia-Surferin über Motivation, Ziele und Surfen in Deutschland

 

Camilla Kemp schrieb letztes Jahr Surf‑Geschichte: Als erste deutsche Surferin bei den Olympischen Spielen brachte sie Surfen in Deutschland ins Scheinwerferlicht. Damit ebnete sie den Weg für kommende Generationen und zeigt, was mit Talent, Wille und Resilienz möglich ist. Geboren in Portugal, aufgewachsen in kräftigen Atlantikwellen, feilt sie heute auch im Wavepool in München an neuen Manövern. In unserem Gespräch erzählt Camilla von Barrels in Tahiti, der Surfszene in Deutschland und davon, wie sich Leidenschaft, Stadtleben und Training verbinden lassen.

Camilla wird unterstützt von Dryrobe, Sisstrevolution, Swox, Sigg, Sushi Bikes, Blackroll, Pure Surfcamps und DWV

 

Der Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit Dryrobe

Surferin Camilla Kemp am Eisbach
Surferin Camilla Kemp am Eisbach in München

Hi Camilla, wo bist du gerade und wie war dein Sommer?
Hallo, ich bin gerade in München, wo ich die Kombination aus City-Life und Surfen genieße.  Mein Sommer war gut, etwas ruhiger als sonst. Ich hatte ein paar Events in Frankreich, Spanien und England – die WSL-Contests – und sonst einfach viel Training. Mit der Nationalmannschaft war ich in El Salvador. Es gab gute und weniger gute Wettkämpfe, aber insgesamt bin ich zufrieden und freue mich auf die nächste Saison. Jetzt habe ich endlich Zeit, mich richtig aufs Training zu konzentrieren und wieder Gas zu geben.

 

Letztes Jahr war ja ziemlich intensiv für dich. Wie hat sich dein Leben seit Olympia und der Deutschen Meisterschaft verändert?
Es war wirklich ein intensives Jahr. Einerseits hat sich viel verändert, andererseits ist mein Leben noch dasselbe. Letztes Jahr war die größte Challenge meiner Karriere. Die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele war sehr intensiv – besonders, weil die Welle dort ganz anders war, als ich sie gewohnt bin. Viele Surfer:innen haben Respekt vor ihr. Ich glaube, ich bin in dieser Zeit nicht nur sportlich, sondern auch persönlich sehr gewachsen. Es war eine anstrengende, aber wunderschöne Phase, und Olympia war sozusagen das große Finale dieser Reise. Jetzt beginnt eine neue – der Fokus liegt auf L.A. 2028, aber bis dahin gibt es viele kleinere Ziele, die ich erreichen möchte.

 

Und was waren deine größten Learnings aus dieser Zeit?
Definitiv Resilienz. Immer weitermachen, auch wenn etwas schiefläuft. Das zieht sich eigentlich durch meine ganze Karriere. Ich musste mich oft überwinden, wieder aufstehen, weitermachen. Mein Ziel – Olympia – hat mir dabei geholfen, dran zu bleiben. Natürlich hätte ich mir gewünscht, dort besser zu performen, aber die Erfahrung war unbezahlbar. Ich bin dankbar, dass ich das alles erleben durfte.

Die erste deutsche Surferin bei Olympia


Als erste Deutsche bei Olympia im Surfen – das ist ja schon ein Riesenerfolg. Wie würdest du Olympia beschreiben, für jemanden, der noch nie dort war?

Sportlich war es für mich schon ein Sieg, überhaupt dabei zu sein. Die Qualifikation war ein echtes Highlight. Die Wellen in Puerto Rico lagen eigentlich nicht so in meinen Stärken, aber genau da habe ich mich selbst überrascht – ich konnte performen und bin in entscheidenden Momenten ruhig geblieben, obwohl der Druck groß war.

Olympia selbst ist einfach das größte Sportevent, das man sich vorstellen kann: so viele Athlet:innen, so viele verschiedene Sportarten – viele kannte ich vorher gar nicht. Man merkt plötzlich, dass man Teil von etwas viel Größerem ist, dass man nicht nur für sich selbst kämpft. Tahiti war natürlich ein bisschen losgelöst vom restlichen Geschehen, fast wie ein eigenes Event – groß, medial, intensiv. Aber gleichzeitig hatte man das Gefühl, Teil von etwas Riesigem zu sein. Und dann Paris … das war einfach Wahnsinn! Das Olympische Dorf, all die Athlet:innen, die zusammen essen, sich austauschen, Geschichten teilen. Es war beeindruckend zu sehen, wie viele unterschiedliche Menschen denselben Weg gehen – mit all den Höhen, Tiefen und Zielen, die wir gemeinsam haben.

 

Du meintest, die Welle in Tahiti ist anders als die Wellen, die du sonst surfst. Ist sie so scary wie sie aussieht?
Ja, auf jeden Fall. Ich glaube, ich habe noch nie so starke Wellen gesurft – egal ob klein oder groß. Die Welle drückt einen richtig unter Wasser, wenn man fällt, und die Energie, die man spürt, ist unglaublich. Wenn man im Line-up sitzt, sieht, wie die Welle kommt, sich aufrollt und diese perfekte Form annimmt – das ist Natur pur. Es ist ein Spiel zwischen Angst und Freude: Du bekommst vielleicht die Welle deines Lebens, aber eben auch den schlimmsten Wipeout. Und genau das zeigt für mich, wie raw Surfen ist – die besten und die größten Herausforderungen liegen so nah beieinander. Es ist unglaublich, diese Energie zu spüren. Und auch die Surf-Community – gerade bei den Frauen – hat sich gegenseitig gepusht. Man hat richtig gespürt, dass alle einander pushen und ihr Bestes geben wollen, um auf der Welle so gut wie möglich zu performen.

Camilla Kemp surft in Tahiti

Das steht ja ein bisschen im Gegensatz zu einem Wavepool-Event, oder? Im Pool ist die Welle immer gleich, während man im Meer auch die besten Wellen auswählen muss – wie siehts du das?
Ich fand die DM in Deutschland super. Es war schön, dass sie endlich wieder im eigenen Land stattfinden konnte und dass so viele Leute kamen, um zuzuschauen. Viele kennen Surfer:innen sonst nicht persönlich, viele haben gar keinen Zugang zu dem Sport – und genau das bietet die DM im Pool. Natürlich ist das Meer anders als ein Wavepool, aber gerade für Leute, die noch nicht so viel verstehen, macht es den Sport greifbar.

Im Pool ist alles gleich – jede:r bekommt dieselben Wellen, keine Ausreden. Das bringt Druck und Performance auf ein ganz anderes Level. Und ich finde, gerade in Deutschland ist es toll, den Surfsport so zu zeigen und eine Community aufzubauen. Ich hoffe, die DM findet in Zukunft wieder im Pool statt. Ich würde meinen Titel hier im Pool auch gerne verteidigen – hier kann ich meine Stärken gut zeigen.

Wavepool vs Meer – Training auf einem neuen Level

Und was würdest du sagen, sind deine Stärken?
Ich glaube, ich bin gut unter Druck. Ich bin eine Power-Surferin – das kann ich auch im Pool zeigen. Ich weiß, dass ich gut surfe und kann dementsprechend jede Welle nutzen.

Welche Wellen surfst du am liebsten in der Surftown?

Am liebsten Expert Point Right! Ich finde es besonders cool, dass gerade im Frauen-Surfen progressive Manöver trainiert werden können. Im Meer könnte man das Risiko manchmal scheuen, weil man nicht weiß, ob man noch so eine gute Welle bekommt. Im Pool pusht es uns Frauen auch mal Airs zu zeigen, neue Manöver zu probieren und aufs nächste Level zu kommen.

An welchen Manövern arbeitest du gerade? Trainierst du auch Airs und so weiter?
Definitiv. Im Pool liegt mein Fokus gerade auf den Airs. Die neue Generation Frauen, die mit Wave-Technologie aufgewachsen ist, macht solche Manöver schon, und ich möchte mich da unbedingt pushen. Es geht darum, aus der Komfortzone rauszugehen und diese Tricks auch im Meer landen zu können. So ein Special Move kann im entscheidenden Moment den Unterschied machen.

Camilla Kemp in der Surftown Muc

Und wie würdest du deinen Homespot beschreiben – du bist ja in Portugal aufgewachsen?
Ich bin am Praia do Guincho aufgewachsen. Eine sehr kräftige Welle, ideal für All-Around-Performance. Manchmal Barrels, manchmal eine große End-Section – immer kräftig und oft windig. Ich bin eher in „schwierigen“ Bedingungen groß geworden, aber genau das hat mich geprägt. Es hat mich zu der Wettkampf-Surferin gemacht, die ich heute bin, und ich kann gut mit wechselnden Bedingungen umgehen.

Welche portugiesischen Eigenschaften oder Verhaltensweisen haben dich geprägt?
In Portugal bin ich in der Surf-Community aufgewachsen und habe früh angefangen mit einer Gruppe zu trainieren. Dadurch hat sich jeder gepusht. Ich würde sagen, ich bin eine kräftige Surferin, mag Power und große Wellen, wir hatten dort eine Vielfalt an Wellen – perfekt zum Trainieren. Und das kalte Wasser hat mich abgehärtet.

Persönlich habe ich gelernt, gut mit Druck umzugehen – etwas, das in Portugal unvermeidlich ist, weil das Level so hoch ist. Ich würde mich als ruhig und positiv beschreiben, auch in schwierigen Situationen. Und ja, manchmal komme ich zehn bis fünfzehn Minuten zu spät – das gehört wohl auch ein bisschen zu mir. Aber ansonsten: Ich bin mit Sonne aufgewachsen, das ist definitiv ein Plus.

Und wenn du jetzt an die nächste Olympia-Qualifikation denkst: Graut es dir etwas von dem langen Weg oder freust du dich eher darauf?
Es ist eine große Herausforderung, das stimmt. Aber ich freue mich auf den ganzen Prozess, auf die Jahre bis zum Start der nächsten Olympiade. Nach den letzten Spielen hatte ich ein kleines „Low“ – ein Hoch gefolgt von einem Runterkommen, wie viele Athlet:innen es kennen. Jetzt freue ich mich, wieder voll ins Training zu kommen und mich vorzubereiten. Die nächste Generation Frauen wird immer stärker, daher habe ich noch viel zu tun. Ich weiß aber, wie der Weg funktioniert, und freue mich, es noch einmal anzugehen – hoffentlich in L.A. 2028 bei den Olympischen Spielen.

Weißt du schon, wo genau bei den Olympischen Spiele gesurft wird?
Ja, in Lower Trestles. Da war ich schon bei einem Contest, als Juniorin bei einer World Series von Volcom, glaube ich mit 17. Im Finale bin ich mit Caroline Marks gesurft, die das Event gewonnen hat. Daher habe ich gute Erinnerungen an Trestles – eine perfekte rechte und linke Welle, fast wie eine Poolwelle. Ich würde mich mega freuen, dort dabei zu sein.

Surferin Camilla Kemp

Was machst du, wenn du mal nicht surfst oder eine Abwechslung brauchst?
Wenn ich gar kein Training habe, genieße ich einfache Dinge. Ich gehe gern shoppen, einen Kaffee trinken, laufe durch die Straßen. Ich bin am Strand aufgewachsen, aber auch ein bisschen City-Mensch – deswegen finde ich es gerade in München so schön.

 

Bist du sonst gerne aktiv, auch abseits des klassischen Surfens?
Ja, total. Ich probiere neue Sachen aus, zum Beispiel Eisbach surfen (HIER surft Camilla mit ihren Dryrobe-Kolleg:innen Maya und Finn das erste Mal am Eisbach) – das ist zwar Surfen, aber auf eine andere Art. Oder kürzlich in der Jochen-Schweiz-Arena: Dinge, bei denen ich aktiv bin, sich aber nicht wie Training anfühlen.

 

Surfst du auch ohne Performance-Gedanken?
Ja, definitiv. Wenn ich „freesurfen“ gehe, lasse ich die Uhr zu Hause. Beim Training tracke ich alles – Wellen, Puls, Dauer. Es ist wichtig, auch mal einfach aus Spaß zu surfen, ohne Leistungsgedanken. Gerade wenn man jeden Tag um 7 Uhr morgens trainiert, ist es schön, einfach mit Freunden im Wasser zu sein, Wellen zu genießen und auch mal zu quatschen.

Surferin Camilla Kemp am Eisbach
Surferin Camilla Kemp am Eisbach

Trackst du alles genau beim Training?
Ja, ich tracke meine Sessions, aber manchmal stimmt die Uhr nicht hundertprozentig mit dem Gefühl überein. Manchmal denkt man, man hat mehr Wellen erwischt, und die Uhr zeigt weniger an. Ein Upgrade für die Uhren wäre sicher nicht verkehrt.

 

Was steht als Nächstes bei dir an?
Ja, in zwei Wochen fliege ich nach Taghazout in Marokko. Ich bleibe dort etwa anderthalb Wochen – wärmeres Wetter, gute Wellen, viel Training. Dort findet auch das nächste Event der WSL Qualifying Series statt. Perfekt, um die Wellen zu testen und mich vorzubereiten. Aber ich will auch ein bisschen runterkommen, was anderes machen. Es wird also eine Mischung aus Training und ein bisschen Urlaub – genau das, was ich gerade brauche.

Mehr Interviews mit inspirirenden Surferinnen und Stories über mutige Frauen findest du in der aktuellen Ausgabe: 

Golden Ride Surf Issue

Chasing dreams

 

In dieser Surf-Ausgabe geht es um den Stoff für salzige Träume: die Jagd nach Momenten, die uns den Atem rauben, nach Wellen, die unser Herz höherschlagen lassen, und nach Abenteuern, die uns verändern. Wir erzählen Geschichten von Surferinnen, die ihren eigenen Weg gehen, von entlegenen Orten, magischen Surfboards, und von diesem einzigartigen Gefühl, das nur das Meer uns auslösen kann. 

Mach dich bereit für eine Ausgabe voller Inspiration, Sehnsucht und salzige Träume! 🌊✨