Einatmen. Die Wellen und das Rauschen des Meeres vor mir. Ausatmen. Das weite Nichts der Wüste und die Vulkane in der Ferne hinter mir. Auf diese Weise begannen viele meiner Tage auf einem Dach in Famara, dem perfekten Ort um ein paar Monate alles hinter mir zu lassen und dabei meinen Computer gegen Yogamatte und Surfboard zu tauschen.

Die karge Landschaft von Fuerteventura hatte es mir bereits im vergangenen Herbst angetan. Die Leere und die klare Linienführung der Insel hatten eine ganz besondere Wirkung auf mich und ich wusste, dass ich genau das wieder brauche: Klarheit im Außen schafft Klarheit im Inneren.

So hat es mich diesen Sommer als Yogalehrerin in ein Surfcamp nach Famara verschlagen. Famara ist einer dieser Orte, den man am liebsten nie mehr verlassen möchte oder an den man zumindest immer wieder zurückkehren möchte. Hier gibt es die guten Wellen, die bekanntlich die guten Menschen anziehen. Es ist ein kleiner, entspannter Ort. Ich habe hier gelernt wie wenig ich an einem Tag machen muss, um glücklich und zufrieden zu sein. Alles ist ein bisschen langsamer. Die Leute, ein Mix aus Locals und Zugereisten, die aufgrund des Surfs auf der Insel hängengeblieben sind, sind easy und freundlich. Man hat das Gefühl, dass niemand irgendetwas nachrennt, vielmehr genießt man hier den Moment, der im besten Fall aus wenig Wind und leerem Line-up besteht.

Caleta de Famara liegt an der Nordwestküste von Lanzarote. Bereits aus weiter Ferne erblickt man den Risco de Famara, ein steiles Berg-massiv, das sich zur Rechten erhebt und wie eine schützende Hand über dem Ort ruht. An manchen Tagen glaubt man seinen Augen nicht, wenn es sich im Sonnenuntergang in die unbeschreiblichsten Orange-, Rot- und Violetttöne hüllt. Entlang des Riscos erstreckt sich der sechs Kilometer lange Strand, der der beste Spot für alle Surflevels ist. Dieser Beachbreak läuft besonders bei Swell aus W, NW und N und funktioniert bei allen Tides. Man hat somit die Möglichkeit den ganzen Tag lang zu surfen und kann sich dabei einen der unzähligen Peaks aussuchen, je nachdem ob man lieber Lefts oder Rights surft.

Sollte es tatsächlich mal flat oder zu windig sein, kann man auf den Risco oder einen der Vulkane in der Nähe wandern. Oder man schnappt sich ein Longboard und cruist durch das Fischerdorf beginnend oben bei den Bungalows. Ich würde diese Insel mit ihren endlosen, leeren Straßen, die sanft auf und ab gehen, gerne als Longboardparadies bezeichnen, wäre da nicht die fiese Guardia Civil, die Spaß auf vier Rollen gar nicht gerne sieht und einem schon mal mit dem Wegnehmen des Brettes droht. Aber es gibt ja noch die Nacht, das betonierte Fußballfeld, das sich super zum dancen eignet oder man ist eben einfach schneller als die Polizei.

Am Abend trifft sich alles im „Esquina“, dem Lokal, das sich im Wild Wild West des Ortes befindet. Hier kriegt man Tapas und BBQ und gute Laune obendrauf. Sonntags gibt es dort Live-Konzerte, die das Lokal ganz schnell in eine euphorische Tanzfläche verwandeln.

Weiter südlich, nicht unweit von Famara, gelangt man an den bekanntesten und qualitativ besten Reefbreak der Insel: La Santa. Insgesamt hat man hier drei Breaks. Izquierda, die berühmte Linke, die barrelt, ist vor allem den Locals vorbehalten. Wenn man dennoch an kleineren Tagen raus möchte, sollte das Level mindestens advanced sein. Derecha, auf der rechten Seite, ist eine sehr kraftvolle und schnelle Welle. Sie bricht immer an derselben Stelle über relativ seichtem Wasser. Auch hier sollte man nur rauspaddeln, wenn man tatsächlich weiß was man tut. El Centrito ist die Welle in der Mitte, weiter vorne zwischen Izquierda und Derecha. Sie bricht nach links und hat mir einige meiner schönsten Sessions meiner Zeit hier bereitet, da sie perfekt für Intermediates ist. Man sollte sich von dem Schild „Locals only Canarias“ am Eintritt zum Spot nicht abschrecken lassen. Ein freundliches hola! und ein breites Grinsen wirkt meistens ansteckend. Außer man trifft vielleicht auf eines der harschen Localmädchen, aber wie überall gilt, solange man sich respektvoll verhält, handelt man sich auch keinen Ärger ein.

Wenn der Swell im Nordwesten zu groß oder zu powervoll ist, sollte man versuchen Wellen auf der anderen Seite der Insel zu finden. Für Intermediates bietet sich da zum Beispiel Arrieta an. Hier findet man eine linksbrechende Welle auf dem sandigem Strand La Garita, den man einfach an seinem Pier erkennt. Wenn der Spot läuft, läuft er den ganzen Tag.

Lanzarote verleitet einen mit seiner Vielzahl an Surfspots dazu ständig im türkisleuchtenden Wasser zu sein, dabei gibt es auf der Insel noch so viel mehr zu entdecken. Einer meiner Lieblingsorte ist das benachbarte Teguise

Die ehemalige Hauptstadt und das kulturelle Zentrum der Insel

strahlt eine unglaubliche Harmonie aus, die nur am Sonntag durch den Sunday Market ein wenig durchgewirbelt wird. Möchte man den Ort lieber ohne all den Touris erkunden – vor denen man in Famara zum Glück verschont bleibt – sollte man unter der Woche hinfahren. Es gibt ein Piratenschloss zu entdecken, einige schöne Shops wie das „Bongo“, das durch seine Auswahl an hinduinspirierter Kunst aus Indien besticht, süße Törtchen und Croissants, die von einem strahlenden Pärchen im „Matula’s“ serviert werden und lokales Essen wie Tapas aber auch Burger im „Cantina“, das nicht nur wahnsinnig gut schmeckt, sondern auch vorwiegend von den Jungs, die man tagsüber beim Surfen trifft, serviert wird.

Fährt man weiter in den Norden kommt man über Serpentinen entlang an dem afrikanisch anmutenden Haria samt seinem Tal der tausend
Palmen vorbei und gelangt im Anschluss zum Mirador del Rio. Dieser Aussichtspunkt, der wie so viele andere architektonischen Wunderwerke von Künstler César Manrique erschaffen wurde, verschmilzt nahezu mit der Natur und eröffnet einem einen einmaligen Blick auf La Graciosa. Von oben sehen die Erhebungen auf der kleinsten bewohnten kanarischen Insel wie Marmorkuchen aus und das Beste ist: Man darf dort kostenlos campen. Man muss vorab nur einen der 50 Plätze bei der Nationalparkverwaltung reservieren und nimmt dann die Fähre, die ganz im Norden in Orzola abfährt, um auf die autofreie Insel zu gelangen.

Im Südwesten von Lanzarote kann man hautnah den Parque Nacional de Timanfaya erleben. Es handelt sich dabei um eine apokalyptisch anmutende Vulkanlandschaft, die einen gefühlt auf einem anderen Planeten sein lässt. Immer wieder könnte ich mir die Lavameere, die verschiedenen Gesteinsstrukturen und Krater ansehen, deren Farben sich je nach Lichtsituation und Temperatur aufs Neue verändern. Kein noch so begnadeter Maler könnte nur annähernd diese sanften Farbübergänge und die Linienführung dieses bizarren Gebietes erschaffen. Dazu mussten in Vergangenheit zig Vulkane ausbrechen und das Land mit Lava und Asche bedecken. Unter der Erde brodelt es immer noch und ganz generell finde ich herrschen auf Lanzarote besondere Energien, die einen die Naturgewalt ganz stark empfinden lassen.

Unweit von Timanfaya befindet sich El Golfo. Diese einzigartige
Lagune, die eigentlich ein versunkener Krater ist, ist ein einziges Kontrastspiel. Da ist der grüne kleine See, der schwarze Sandstrand und Gesteinsformationen in all nur erdenklichen Rot- bis Schwarztönen. Ein unbeschreiblicher Ort, den man nicht einfach nur kurz besichtigen kann, sondern auf sich wirken lassen muss.

Um Dinge nicht nur zu sehen, sondern sie auch zu erleben braucht es Zeit. Go and travel the world, es ist eine der besten Sachen, die du mit deiner Zeit anfangen kannst.