Seinen eigenen Weg zu finden und zu gehen ist für keinen einfach. Auch nicht wenn man an einem Traumstrand in Hawaii aufwächst und Surfen und der Ozean zum Alltag gehören. Doch die enge Verbundenheit mit der Natur bringt meist starke Persönlichkeiten hervor, die ungewöhnliche Lebensentwürfe haben und die einen positiven Einfluss auf ihre Umwelt haben. So wie Crystal. Sie ist Surferin, Filmproduzentin (Beyond the surface), Umweltwissenschaftlerin, Gärtnerin, Künstlerin, Wassersportlerin und Mutter – und eine Inspiration für ein Leben im Einklang mit der Natur!
Hi Crystal, wie geht’s dir? Wo bist du gerade und mit was beschäftigst du dich gerade?
Aloha und vielen Dank für das Interview! Im Moment kann ich viel Zeit zuhause an der Nordküste genießen. Mein Mann hat gerade Drehpause von Hawaii 5-0, also haben wir massig Zeit zum Surfen, für den Garten, Paddeln, Tauchen und zum Kochen. Es ist total mein Ding vegane Schokolade selbst herzustellen. Unsere Tochter ist mittlerweile fast drei Jahre alt und hält uns ziemlich auf Trab. Ich beschäftige sie gerne in unserer Gemeinschaft, mit Freunden aus der Nachbarschaft, meistens sind wir im Meer schwimmen oder in den Bergen.
Wie war es, in Hawaii aufzuwachsen und wie hat das Surfen dich durch deine Kindheit begleitet?
Ich bin auf der Insel von Oahu mit sehr Ozean-orientierten Eltern aufgewachsen. Wir sind oft an den Strand gegangen, um unser Paddelboot zu vermieten oder Kayak zu fahren, zu surfen, zu schwimmen und zu boogie boarden. Surfen war einfach eine Lebensweise, zu der ich gar keine andere Option hatte und auch keine anderen Wünschen. Surfen hat es mir möglich gemacht, einen Lebensstil zu leben bei dem ich meine Leidenschaft, meine Umwelt zu schützen, leben kann. Fast jeden Tag von der Natur umgeben zu sein, hat mir als junge Frau irgendwie Selbstvertrauen gegeben, ich glaube, das hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin.
In deinem letzten Kurzfilm „Sliding into the light“ redest du sehr offen darüber, wie du mit dem Verlust eines ungeborenen Kindes umgehen musstest und wie das Meer dir geholfen hat, damit umzugehen. Welche Kraft gibt dir das Meer, bzw. welche Macht hat es über dich?
Das Meer ist mein Zufluchtsort. Dahin gehe ich, wenn ich meine Gedanken sammeln muss, um Freunde zu treffen, um mich zu bewegen, um meinen Kopf freizukriegen. Das Meer ist alles für mich. Es ist meine Kirche, mein heiliger Ort. Es ist ein Ort, an dem ich ungehemmt meinen Tränen freien Lauf lassen kann. Ein Ort, an dem ich Unterwasser meinen Frust laut hinaus schreien kann und ein Ort, an dem ich mich durch Lachen, durch das Teilen von Ideen, Erinnerungen und Plänen für die Zukunft wieder erneuern kann.
Was hast du durch Surfen und im Wasser sein gelernt?
Ich glaube das wichtigste, was das Meer mir beigebracht hat, ist demütig zu sein und die Natur und andere, die dich umgeben, zu respektieren. Das Meer und surfen hat mich außerdem gelehrt, nie aufzugeben, immer weiterzumachen. Denn wenn man von seinem Brett fällt und allzu leicht aufgibt, dann wird man nie die Freude erfahren, die es bereitet, eine Welle abzureiten.
Du erwähnst auch deine Mutter in deinem Kurzfilm. Es klingt, als sei sie eine weise Frau. Ist sie ein Vorbild für dich?
Meine Mutter war ein großer Einfluss auf mein Leben und ihre Liebe zum Meer und ihre Freude am Wellenreiten war ansteckend. Als ich klein war, standen wir zusammen auf ihrem Brett. Das war eine Verbindung zu meiner Mutter, von der ich glaube, dass sie mich auch dazu geführt hat, wie ich heute mit meiner eigenen Tochter umgehe.
Gehst du auch mit deiner Tochter surfen?
Dank meinem Selbstbewusstsein im Wasser und den Erinnerungen an das Surfen mit meiner Mutter ist es mir heute möglich, das auch mit meiner Tochter zu teilen. Sie ist mittlerweile fast drei Jahre alt und liebt bodysurfen, schwimmen, schnorcheln, paddeln und Wellen erwischen. Für mich schließt sich damit der Kreis.
Du bist eine surfende Mutter… Hier in Deutschland gibt es davon nicht viele. Aber ich vermute mal, in Hawaii ist das normal… Würdest du sagen, du bist immer noch in der Lage, deine Träume zu verfolgen oder haben deine Träume sich einfach geändert?
Ja, in Hawaii ist es total normal für Frauen nach einer Geburt weiterhin zu surfen. Auch wenn ich sagen muss, dass es schon eine Herausforderung ist, so viel Zeit auf dem Wasser zu verbringen, wie vor der Geburt. Obwohl meine Tochter älter wird, sich zunehmend wohl im Wasser fühlt und es leichter wird sie mitzunehmen, sehe ich eine große Veränderung in meinen persönlichen Leben. Bezogen auf das verfolgen meiner Träume war ich während der Schwangerschaft dazu in der Lage, einige wundervolle Projekte zu machen. Mit einer Neugeborenen denke ich auch jetzt, selbst wenn die Zeit für mich jetzt limitiert ist, dass meine Ziele noch immer dieselben sind. Ich muss nur einen Weg finden, wie ich meine Tochter mit einbeziehen kann, sodass sie die Erfahrungen mit mir gemeinsam machen kann.
Du surfst, bodysurfst, fährst Kanu und Kayak, tauchst Freiwasser und machst Stand-up Paddling. Hört sich an, als könntest du dem Wasser nicht lange fern bleiben… Wie viele Tage waren die längste Zeit, zu der du nicht im Meer warst?
Ja, ich liebe das Meer und war ihm immer nah. In meinem ganzen Leben war ich nur ein paar Mal weg davon. Einmal habe ich einen Monat lang in einem Kloster in Südostasien gelebt, da habe ich kein bisschen Meer in der Nähe gesehen. Das war ziemlich schwierig, aber ich scheine es gut hinbekommen zu haben. Auf meinen anderen Abenteuer fernab vom Meer habe ich als Freiwillige für einen Monat in Patagonien und Südamerika geholfen, dort zukünftige Nationalparks aufzubauen. Aber hoch in den Bergen zu arbeiten war auf andere Art sehr erfüllend.
Du bodysurfst… Kannst du das Gefühl beschreiben, direkt in dem Element Wasser/Ozean zu sein?
Das Gefühl beim Bodysurfen ist für mich fast unbeschreiblich. Es fühlt sich jedes Mal wie ein Wunder an, wenn ich eine Welle ohne Brett, nur mit meinem Körper, absurfe. Die Art und Weise, wie das Wasser deinen Körper umspielt und die Geschwindigkeit, mit der die Welle dich mitnimmt, fühlt sich fast wie eine Massage an. Ich liebe das Gefühl. Unterwasser zu gehen und von unten zu sehen, wie die Welle sich über dich wälzt. Ich glaube bodysurfen ist die reinste Form des Surfens und manchmal auch die schwerste zu lernen.
Du hast eine starke Verbindung zum Meer und der Umwelt. Was denkst du, sind die Hauptprobleme, wenn es darum geht, sie zu schützen und wie kann jeder einzelne dazu beitragen?
Meinen Beobachtungen zufolge ist das am meisten verbreitete Problem die Verschmutzung durch Plastik. Auf einer Insel, die den Meeresströmungen ausgesetzt ist, ist die Plastikverschmutzung allgegenwärtig sichtbar. Hier auf Hawaii ist die Verschmutzung durch Plastik ein großes Problem. Zum Glück gibt es viele Organisationen, die sich zusammenschließen, um der Öffentlichkeit das Problem bewusst zu machen und die auch Aufräumarbeiten am Strand organisieren. Ich persönlich glaube, um dazu beizutragen, Umweltprobleme zu bekämpfen, ist der beste Weg, die eigenen Einkaufsgewohnheiten zu überdenken. Was wir essen und woher wir unsere Nahrung und Güter herbekommen. Organische, lokale Produkte zu kaufen und Alternativen zu Plastik zu unterstützen. Das sind nur ein paar Ideen, aber es gibt so viele Wege, der Umwelt zu helfen.
Du hast Environmental Science und Fine Arts studiert – eine großartige Kombination, um eine Botschaft zu verbreiten… Was ist deine Botschaft?
Ich glaube meine Botschaft ist im Allgemeinen, ein natürlicheres Leben mit weniger Begierden zu leben. Ich glaube, das ist der beste Weg, sich der Umwelt bewusst zu werden. Einfach zu leben und die Dinge zu lieben, die man hat und gleichzeitig lokale Unternehmen oder solche, die Umweltinitiativen realisieren, zu unterstützen und nachhaltige Produkte zu nutzen. Ich liebe es, Kunst als eine Medium zur Verbreitung meiner Leidenschaft für die Umwelt zu nutzen. Ich glaub, wenn man Leute zeigt, die es genießen, sich in ihrer natürlichen Umgebung aufzuhalten, dann ermutigt man damit andere und sich selbst die Natur zu respektieren.
Hilft dir dein Abschluss in Environmental Science mit Umweltorganisationen zusammen zu arbeiten?
Ich glaube mein Hintergrundwissen gibt mir Einblick in globale und lokale Probleme unserer Umwelt. Es gibt mir definitiv ein tieferes Verständnis über einige der Probleme, denen wir heute gegenüberstehen und wie wir als Gemeinschaft diese Probleme angehen können.
Du und dein Mann baut Bio Obst und Gemüse in eurem Garten an und verkauft es. „Crave Greens“ klingt nach einem tollen Projekt…
Wir haben „Crave Greens“ mit dem Bestreben gegründet, unser eigenes Essen anzubauen und es mit der örtlichen Gemeinde und Nachbarschaft zu teilen. Im Grunde bauen wir an und verteilen unsere Produkte an lokale CSA (community-supported agriculture) Restaurants und private Köche sowie unseren örtlichen Bioladen.
Was sind deine Aufgaben auf der Farm und was gefällt dir an der Gartenarbeit am Besten?
Ich liebe alles daran, unser eigenes Essen anzubauen. Aber am meisten liebe ich auf jeden Fall das Aussäen neuer Pflanzen und ihnen beim Sprießen zuzuschauen. Mein Mann und ich machen alles von anpflanzen bis ernten selbst. Es macht Spaß den ganzen Prozess zu beobachten und macht einen noch dankbarer, wenn man sich dann zum Essen hinsetzt, weil man die Arbeit kennt, die hinter jedem Bissen steckt.
Was ist im Moment dein Lieblingsgericht, direkt aus dem Garten?
Im Moment muss ich sagen, mein Lieblingsgericht ist wohl roher Kakao. Das ist zwar nicht wirklich ein „Gericht“ aber es macht so Spaß ihn anzubauen und zu ernten. Meistens schafft er es kaum aus der Hülse, aber wenn doch, dann lieben wir es, ihn zu rösten und unsere eigene Schokolade zu machen.
Wir bauen außerdem gerne Kurkuma an. Die Blüten sind wunderschön und die Wurzel ist sehr gesund. Ich liebe es Saft aus Kurkuma und frischen Orangen zu machen.
Welcher der Filme, in denen du involviert warst, war bisher der lehrreichste für dich und warum?
Einer der Filme, an denen ich beteiligt war, heißt „sliding Liberia“. Für mich hat dieser Film so viel auf so viele Arten in meinem Leben geändert. Nach Westafrika zu reisen war eine horizonterweiternde Erfahrung. Es war das erste Projekt, an dem ich mit meinem Mann zusammen gearbeitet habe und es war eine tolle Überleitung, um auch mit Freunden an anderen Projekten zu arbeiten. Auch zurückschauend realisieren wir, was für eine spezielle Erfahrung dieses Projekt war. Gerade nach dem Bürgerkrieg in diesem Land zu sein und es zu erleben und das Surfen mit der örtlichen Gemeinschaft zu teilen war mehr als wunderbar. Wir haben vor ein paar Jahren beschlossen, unser eigenes Projekt namens „beyond the surface“ zu verwirklichen. Das war das erste Projekt, das wir selbst von Anfang bis Ende geschaffen haben.
Welches Umwelt- oder Filmprojekt steht als nächstes an?
Ich habe im Moment einige Filmprojekte im Kopf, aber nichts konkretes. Zur Zeit genieße ich einfach das Glück, unser letztes Projekt mit der Welt zu teilen und so viel Zeit wie möglich im Meer zu verbringen.
Auf Hawaii zu leben klingt wie ein Traumleben… Von was träumst du?
Ich träume immer noch viel vom reisen. Ich träume davon, in naher Zukunft lustige Projekte mit engen Freunden anzugehen, meine Liebe zum Meer mit meiner Tochter zu teilen und mehr Kunst aus Keramik zu machen und zu Zeichnen. Das hört sich nach Spaß an. Ich habe eine kleine Auszeit genommen und fühle mich bereit dazu, wieder in diese Dinge einzutauchen. Ich träume von dem Potential, das Hawaii für Nachhaltigkeit bietet und davon, dass Politiker sich zusammentun und dies eine Priorität für unseren Staat machen.