Spätestens seit letztem Jahr wissen wir, dass Urlaub daheim auch mal ganz schön ist. Leider ist im Alpenraum und Deutschland die legale Trail-Nutzung vielerorts sehr eingeschränkt. Eine Gemeinde, die eine Ausnahme ist, ist Baiersbronn im Schwarzwald. Mit einem innovativen Mountainbike-Konzept mit geteilten Trails und großem Wegenetz sorgt man hier für ein fröhliches und freundliches Miteinander zwischen Wanderern und Radfahrern.

Der Schwarzwald – beim ersten Gedanken kommt einem hier wohl ein Rentnerparadies in den Sinn. Und wir müssen zugeben, ja, wir haben eher zum jüngeren Publikum in Baiersbronn gezählt. Das macht aber überhaupt nichts. Denn während wir zur Haupturlaubszeit die kleine Gemeinde besucht haben und so gut wie alle Betten ausgebucht waren, wurden wir trotzdem mit leeren Trails belohnt – und mit leer meinen wir auch leer. Schon mal in den Alpen oder in Finale an einem Tag nur drei andere Mountainbiker getroffen? Wahrscheinlich nicht…

Aber fangen wir erstmal von vorne an. Baiersbronn, das ist eine kleine Gemeinde in Baden-Württemberg. Mit knapp 15.000 Einwohnern eher überschaubar, dazu kommen gute 5.000 Gästebetten. Bekannt ist die Gemeinde am Nationalpark Schwarzwald vor allem für zwei Dinge: Kulinarik und Wandern. Es gibt nur wenige andere Orte mit einer so hohen Dichte an Sternerestaurants und das große Netz mit guten 550 km an Wanderwegen bietet Wanderungen für alle Altersklassen.

Erst 2016 hielten die Mountainbiker Einzug in die kleine Gemeinde. Unter dem Motto „Mountainbiken im Wanderhimmel“ wurde hier in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Mountainbike-Verein ein neues Konzept in die Welt gerufen, das in Baden-Württemberg, wo sonst die 2-Meter-Regel gilt, also Wege die schmäler sind grundsätzlich mit dem Fahrrad nicht befahren werden dürfen, eine tolle Alternative ist.

Baiersbronn: Mountainbikern auf Trail
Baiersbronn: Mountainbikern auf Trail

Das Baiersbronner Bike-Konzept

Eigentlich selbstverständlich, aber in der Realität ist es leider anders: Das Konzept beruht auf einem freundlichen Miteinander zwischen Wanderern und Radfahren und dem Respekt vor der Natur. Die Bike-Region bietet gute 400 km Wegenetz für Mountainbiker, fast alle davon in gemeinsamer Nutzung mit Wanderern und spricht alle Arten von Mountainbikern an. Von familienfreundlichen Touren über Genusstouren und natürlich Singletrails findet hier jeder das Richtige für sich.

Jeder Kilometer wird von einem einheimischen Mountainbiker ehrenamtlich unter die Fittiche genommen. Der Zuständige sorgt für die Instandhaltung der Trails und bekommt dafür sogar von der Gemeinde ein Fahrzeug mit Trail-Builder-Ausrüstung zur Verfügung gestellt. Das gesamte Wegenetz ist hervorragend ausgeschildert: Die gelben Schilder für Mountainbiker verweisen auf wichtige Punkte mit Distanz und Höhen- bzw. Tiefenmeter. Zudem sind Touren, Trails und Umfahrungen extra angeschrieben. An vielen Stellen des Weges verweisen Pfeile in die richtige Richtung. Und es gibt eine kostenlose App sowie Kartenmaterial speziell für Mountainbiker – sich in Baiersbronn zu verfahren wird einem ziemlich schwer gemacht.

Baiersbronn: Zwei Mountainbikerinnen auf Trailabfahrt

Die Touren und Trails

Wer wie wir aus den Alpen kommt, für den ist die Region definitiv Neuland. Statt wie bei uns viele Höhenmeter hochzutreten und einen Trail abzufahren, besteht die Region aus vielen Tälern, die über Rücken von 300-400 Höhenmetern zu erreichen sind. Momentan bietet Baiersbronn elf geplante Mountainbike-Touren (T1 bis T11) mit einem Trail-Anteil von 0 % bis 33 %, die ein Wechsel aus Anstiegen und Abfahrten sind. Trotz der relativ flachen Topographie kann man ordentlich Höhenmeter machen: Bei den Touren Karseen-Tour (T9) und Murgtal-Tour (T10) sind es immerhin fast 2.000 Höhenmeter, die es zu überwinden gilt.

Durch die Topographie ist ein Mountainbike-Tag in Baiersbronn sehr abwechslungsreich. Hier ist von flowigen Trails bis anspruchsvollen Lines für jeden etwas dabei – und durch die kurzen Anstiege können verschiedene Singletrails kombiniert und in einer großen Tour abgefahren werden.

Die kurzen Anstiege sind auch ideal für einen Familienurlaub. So kann man morgens eine kleine Runde drehen und steht vor dem Mittagessen wieder für den Familienausflug auf der Matte. Auch sind die Anstiege und einige Trails durchaus für Kinder machbar. Wer nicht allein losziehen möchte, kann auf das Angebot der Baiersbronn Touristik zurückgreifen. Mehrmals die Woche werden geführte Touren angeboten – und das auch noch kostenlos. So lernt man die besten Trails mit den Locals kennen ;).

Planen mit App und Karte

So viele Trails und Wege, da ist es manchmal schwer den Überblick zu behalten. Aber als Bike-Region bietet Baiersbronn hier natürlich die passende Lösung: Die Baiersbronner Mountainbike-Karte mit Mountainbike-Guide ist für Freunde von Papier erhältlich, zudem gibt es die kostenlose App, in der Touren ausgewählt und in der App navigiert werden können. Solltest du mit der App unterwegs sein, empfehlen wir dir, die Karte offline auf dem Handy abzuspeichern – wir hatten doch das ein oder andere Mal kein Netz.

Sollte dir, wie uns auch, ein hoher Trail-Anteil wichtig sein, kommt der Tourenplaner der Baiersbronn Website ins Spiel. Bei dem Desktop Planer kann man die Tour erstellen und als GPX Datei exportieren. So kann man die vielen Singletrails bestmöglich miteinander kombinieren.

Trail-Planung mit Karte
Baiersbronn: Zwei Mountainbikerinnen auf Trailsuche

Don’t miss

Was gibt es Schöneres, als eine kleine Belohnung nach einem langen Tag im Sattel? Unser absolutes Highlight ist das selbstgemachte Eis im Seidtenhof. Der kleine Hofladen mit Selbstbedienungs-24h-Eistruhe verzauberte uns mit nicht ganz alltäglichen Kreationen: Fichtenspitzen (übrigens sehr lecker), Zwetschgen und Honig lassen einen schnell die müden Knochen vergessen.

Kulinarik – Schlemmen im Schwarzwald

Kaum zu glauben, aber ganze acht Michelin Sterne gibt es in Baiersbronn und seinen Teilorten – und nach einem langen Tag Biken hat man sich definitiv ein leckeres Essen verdient. Natürlich ist so eine Sterneküche nicht für jeden Geldbeutel – aber ab und zu möchte man sich vielleicht was Besonderes gönnen… An anderen Tagen kann man sich dann mit den Schwarzwälder Spezialitäten wie Schinken und Kirschtorte den Abend versüßen und auch wenn keine Michelin-Sterne am Hauseingang hängen, gibt es hier zahlreiche Restaurants, in denen man es sich gutgehen lassen kann.

Lay-Days – Was es sonst in Baiersbronn zu tun gibt

Es muss ja nicht immer Radeln sein. Manchmal kann man das geliebte Bike getrost im Hotel oder Bus lassen. Was macht man in Baiersbronn? Ganz klar: Wandern. Sei es auf einer der schönen ausgewiesenen Touren, zum Grillplatz am Fuße des Wasserfalls direkt am See oder mit der ganzen Familie zum Wildgehege.

Auch für Wanderer bietet die Touristik geführte Touren an: von Kräuterwanderungen, über kulinarische Wanderungen und Wanderungen mit dem Ranger, der Einblick in seine Arbeit gibt, ist viel Abwechslung geboten.

Natürlich gibt’s in Baiersbronn und Umgebung auch die Klassiker, die in keinem Urlaub fehlen dürfen: Minigolf, Freibad, Badeseen – und Kirchen und Museen, für die kulturell Begeisterten. Zudem kann man es sich in den zahlreichen Hotels beim Wellness auch richtig gutgehen lassen.

Baiersbronn: Zwei Mountainbikerinnen bei Pause
Baiersbronn: Mountainbikerinnen Eispause

Unser Ausflug in den Schwarzwald

Um die gesamte Bike-Region auszukundschaften, braucht es mehr als die wenigen Tage, die wir vor Ort waren. Also haben wir uns auf das Wichtigste konzentriert und versucht möglichst viele Trails in unseren Kurztrip zu packen und die Touren entsprechend geplant. Danke auch nochmal an unseren Local-Guide Bernd.

Trails, Trails, Trails

Als Startpunkt haben wir Baiersbronn gewählt. Nach der Anreise aus München starten wir am späten Vormittag von hier aus. Es geht für uns über die Straße und anschließend auf Forstwegen über die Sattelei bis zum Tanzplatz. Dort startet unser Schwarzwald-Trail-Trip mit dem Müstereck. Der Müstereck ist ein mittelschwerer (roter) Singletrail. Der kurze Trail ist relativ flach, der Anfang ist etwas steinig und wurzelig, bevor es dann etwas flowiger und breiter wird. Für uns ist der Trail der ideale Einstieg zum warm werden.

Weiter geht es über den Forstweg in Richtung Hirschlach-Trail. Der Trail wird als schwer bewertet. Wer sich auf dem Mountainbike sicher fühlt, sollte diesen Trail jedoch gut meistern können. Besonders der Einstieg ist ein absolutes Highlight – hier gibt es eine tolle Aussicht auf die umliegenden Täler und Berge. Der Trail selbst hat einen griffigen Boden, einige Wurzeln, ist leicht verblockt und für mich einer der schönsten Trails, die wir in der Gegend gesehen haben. Mit knapp 140 Tiefenmetern und einer Länge von etwas über einem Kilometer gehört er in Baiersbronn auch zu den längeren Singletrails. Der Hirschlach-Trail endet in Obertal, dort durchqueren wir den Ort und treten auf der andere Seite bergauf Richtung Burgkopf.

Oben angekommen beginnt der Walterhütte-Trail. Auch dieser ist wieder als schwer bewertet. Für Anfänger ist er sicher nichts, aber in den Alpen haben wir auch schon Schwierigeres gesehen. Bewertung hin oder her,  der Walterhütte-Trail ist ein kurzer, aber knackiger, leicht verblockter Singletrail, der Spaß macht. Leider können wir nur den oberen Teil des Trails fahren, da der untere Teil aufgrund von Filmarbeiten für uns ausfällt. Schade, wir wären den Trail gerne ganz gefahren – stattdessen geht es auf dem Forstweg wieder zurück Richtung Mitteltal.

Der letzte Anstieg des Tages führt uns wieder zurück zur Sattelei, von wo aus wir auf dem Sattelei-Trail in Richtung Tal fahren. Der Sattelei-Trail lässt mit seinem griffigen Waldboden unsere Trail-Herzen höher schlagen. Im Trail gibt es 2-3 Spitzkehren, aber im Grunde ist der Trail für die meisten Fahrer gut zu bewältigen. Nach so vielen Höhenmetern wird es Zeit die Schwarzwälder Küche auszukundschaften. Dafür machen wir einen Halt in der Tanne Tonbach, einem der ersten Bike-Hotels der Gegend. Wir genießen den sonnigen Platz auf der Terrasse mit einer deftigen Brotzeit, einem kühlen Radler und einem Schwätzchen mit den Inhabern Jutta und Jörg, selbst begeisterte Mountainbiker. Für ein kurzes Wellness in der Baumsauna haben wir leider keine Zeit – schade, es sah zu verlockend aus.

Es ist schon später Nachmittag und wir machen uns auf in Richtung Hotel. Nach einer schnellen Dusche und einem leckeren Abendessen im Gutshof Waldknechtshof fallen wir müde und erschöpft ins Bett – leider nur für eine kurze Nacht, denn wir möchten am nächsten Tag den Sonnenaufgang nutzen.

Baiersbronn: Zwei Mountainbikerinnen bei Pause

Sunrise-Ride

Morgens halb 6 in Klosterreichenbach. Außer uns ist niemand wach. Wir nehmen die ersten Sonnenstrahlen des Tages vom Rinkenturm mit. Von hier aus hat man eine herrliche Aussicht über Baiersbronn und die Stimmung während des Sonnenaufgangs lässt einen die Müdigkeit vergessen. Zurück im Hotel gönnen wir uns erstmal ein ausgiebiges Frühstück mit allem, was die Karte zu bieten hat. Die Bombe aus Brioche, Bechamel-Sauce und pochiertem Ei können wir auf jeden Fall empfehlen, auch wenn sie uns anschließend beim Radeln schwer im Magen liegt.

Wir sind noch etwas touristisch unterwegs und erkunden Baiersbronn, bevor wir uns in Richtung Reichenbach-Trail begeben. Der Reichenbach-Trail zählt auch zu unseren Baiersbronn-Highlights. Auf dem flowigen, recht flachen Trail mit griffigem Waldboden kann man es schön laufen lassen. Ein Trail für die ganze Familie. Und vom Ende des Trails ist es nur noch ein Katzensprung zum Seidtenhof, wo wir bei leckerem Eis unseren Schwarzwald-Trip ausklingen lassen.

Baiersbronn: Zwei Mountainbikerinnen beim Sunset-Ride
Baiersbronn: Zwei Mountainbikerinnen beim Sunset-Ride
Gravelbike Magazin

Off the beaten track

Die aktuelle Gravelbike-Ausgabe

In dieser Ausgabe dreht sich alles um die unendlichen Möglichkeiten auf dem Gravelbike! Auf 100 Seiten stürzen wir uns ins offroad Abenteuer auf zwei Rädern. Dafür liefern uns die Frauen in dieser Ausgabe jede Menge Stoff zum Träumen und berichten über ihre Abenteuer off the beaten track. Sie geben uns Tipps für die Langstrecke, nehmen uns mit auf ihre Ultracycling-Rennen und erzählen von dem ersten großen Bikepacking-Trip auf eigene Faust.