Celina Weber – zwischen Gipfelglück und dunklen Tälern
Ende der Saison, als sich Celina richtig fit und wohl auf ihrem Snowboard fühlte, brach ihre weiße Winter-Welt innerhalb Sekunden zusammen. Sie wurde von einer Lawine mitgerissen und schwer verletzt. Doch Celina liebt Snowboarden und in den Bergen zu sein und so konnte sich die 24-jährige Freeriderin ihre Leidenschaft auch durch schwierige Monate der Rehabilitation bewahren. Nach einer intensiven Erholungsphase startet Celina die neue Snowboardsaison voller Motivation und Achtsamkeit. Wir haben uns mit ihr über ihre emotionale Reise zurück aufs Board, ihre Erkenntnisse über den weiblichen Zyklus im Sport und ihr Engagement für den Umweltschutz unterhalten. Ein Einblick in das Herz einer mutigen Athletin.
Alter: 24 / Wohnort: Lausanne / Homespot: bis letztes Jahr Innsbruck, jetzt Verbier – aber eigentlich fühlen sich alle Berge so an
Sponsoren: Jones Snowboards, Contour Skins, Mons Royale, Zenbivy.eu, Delayon Eyewear
Foto: Michael Cordey | @michael.cordey
Hi Celina, die Snowboardsaison ist spät, aber super gut gestartet! Wie waren deine ersten Tage auf dem Snowboard?
Hi! Schön von euch zu hören! Meine Snowboardsaison ist mit Ende November tatsächlich etwas später als normal gestartet aber meine ersten Tage waren echt wunderschön. Umgeben von tollen Menschen hab ich mich wie ein kleines Kind gefühlt, das vor Bewunderung für die Berge, Schnee und Snowboarden nicht mehr aus dem Grinsen rauskommmt. Als ob ich alles zum ersten Mal erleben würde. No Pressure. Just Fun & Play. 🙂
Deine letzte Saison endete mit einem schweren Lawinenunfall… Wie geht es dir inzwischen?
Mittlerweile geht es mir schon wieder richtig gut. Das hat mir aber auch den ganzen Sommer über viel, viel Arbeit abverlangt. Nachdem ich mir beim Lawinenunfall letzten April neben anderen Verletzungen drei Wirbel und das Sakrum zweifach gebrochen habe, war der Sommer alles andere als einfach. Nicht nur der Körper braucht lange, um so ein Polytrauma zu heilen – auch mental braucht es Zeit und auch aktive Arbeit, soetwas zu verarbeiten. Zwischenzeitlich war das echt hart. Ich bin aber sehr dankbar, dass ich so viel Unterstützung von meiner Familie, Freunden aber natürlich auch meinem Arzt, Physios und Psychotherapeuten hatte. Durch dieses Support-Netzwerk, aber auch viel Willenskraft und Arbeit, bin ich jetzt wieder so weit, mit Freude in die Berge gehen und Snowboarden zu können.
Dafür bin ich für immer dankbar. Momentan bin ich zwischen den Tagen am Berg und neben dem Masterstudium hier in Lausanne auch viel mit meinem Coach im Gym am Trainieren. Das ist mega wichtig, denn nach so einem Unfall kann man seinen Muskeln dabei zusehen wie sie schwinden. Der Fortschritt fühlt sich aber richtig gut an und ich hoffe, dass ich bald die Clearance bekomme, auch beim Snowboarden wieder springen zu können. Das ist ja unter anderem eine Lieblingsaktivität von uns Freeridern: zwischen schönen Turns auch von allem möglichen runterspringen. 😉
Hier versuche ich mich aber auch nicht zu stressen. Ich nehm’s wie mein Körper es mir vorschreibt. Wenn ich hier und da noch etwas Zeit brauche, ist das völlig okay. Ich freue mich einfach riesig, meiner Leidenschaft wieder nachgehen zu können.
Mit welchen Gefühlen startest du in den Winter?
Das ist eine gute Frage… ich bin mit sehr viel Vorfreude auf die Berge und unendlicher Dankbarkeit, wieder in ihnen spielen zu können, aber auch viel Respekt in den Winter gestartet. Für mich war es am Anfang gar nicht absehbar, wie das so wird, wieder in den Bergen zu sein. Wieder Splitboarden und Freeriden zu gehen. Kommen Flashbacks? Hab ich Angst? Macht mein Körper mit? Umso mehr freue ich mich, jeden Tag aufs Neue zu beobachten, wie wohl ich mich in den Bergen fühle und wie sich die Arbeit über den Sommer bezahlt macht.
Die Berge sind für mich einfach mein zu Hause.
Gehst du anders ans Freeriden ran? Hat sich deine Sicht auf off-Piste-Fahren verändert?
Ich würde nicht sagen, dass ich gravierend anders ans Freeriden herangehe. Das liegt viel am Kontext des Unfalls und dass ich mich schon immer sehr viel mit den Gefahren beim Freeriden und Splitboarden auseinandergesetzt habe. Ich versuche sowie immer, das Risiko, wo es auch geht, zu minimieren. Das habe ich vor, so weiterzuführen. Natürlich lernt man aber aus solchen Erlebnissen auch sehr viel. Über Menschen, Dynamiken am Berg, die Schneedecke, bestimmte Situationen. Das Gelernte nehme ich definitiv in Zukunft mit in die Berge und bin vor allem momentan eher konservativ unterwegs. Gleichzeitig vertraue ich aber auch auf meine Erfahrung im Gelände und den winterlichen Bergen.
Was bedeutet dir Snowboarden?
Wow, ich weiß gar nicht, ob ich das einfach so in einem Satz beantworten kann. Snowboarden ist meine Leidenschaft und für mich der Ausdruck meiner Kreativität. Aber auch ganz viel mehr. Snowboarden erlaubt mir, tief in die Natur einzutauchen, mich mit den Bergen verbunden zu fühlen, meine Grenzen zu erweitern und zu wachsen. Es ist mein Ventil, wenn ich mal eine Auszeit vom Alltag brauche. Beim Snowboarden und Splitboarden bin ich präsent und hab mehr Raum in meinem Kopf. Ich liebe die Einfachheit des Lebens in den Bergen. Vor allem beim Splitboarden oder auf Expedition ist es eine wunderbare Balance aus Präsenz und Space, meinen Wünschen und Träumen nachzuhängen.
Cycles – und Snowboarden
Du bist Teil des experimentellen female Freeride-Films „Cycles“, in dem es auch um den Zyklus von uns Frauen und dessen Rolle beim Sport geht. Beschäftigst du dich schon länger mit den Veränderungen während des Zykluses oder war das für dich ein recht neues Thema?
In der Vergangenheit und auch als ich aufgewachsen bin, habe ich mich ehrlicherweise nicht so viel mit dem Thema auseinandergesetzt. Vor allem, weil schlichtweg gar nicht oder meist in einem eher negativen Kontext darüber gesprochen wurde. Das Interesse und die Beschäftigung damit kamen erst die letzten paar Jahren und ganz besonders durch die Arbeit am Film. Von Johanna, unserer Produzentin, habe ich auch nochmal ganz viel über das Thema lernen dürfen. Es hat mir sehr geholfen, zu verstehen, wie positiv sich der Zyklus auf das eigene Training sowie die Lebensqualität auswirken kann, wenn man mit ihm arbeitet statt gegen ihn. Das ist ja auch eines der Ziele vom Film: das Thema ganz offen zu behandeln und die Kraft zu portraitieren, die darin liegt, im Einklang mit dem eigenen inneren Zyklus zu leben. Hierzu haben wir uns alle auch sehr über das viele positive Feedback gefreut. Also an alle, von denen das Feedback kam: Danke euch! Und an alle, die den Film noch nicht gesehen haben: CYCLES ist online und frei verfügbar! Schaut ihn euch hier an 🙂
Foto: Michael Cordey | @michael.cordey
Welche wichtigen Erkenntnisse hast du für dich beim Freeriden/Sport daraus geschlossen?
Ich denke mit das Wichtigste, was ich daraus für mich beim Freeriden und allgemein beim Sport daraus schließen konnte, ist wie wichtig es ist, dem eigenen Körper und dessen Bedürfnissen zuzuhören. Mal gibt es Phasen, in denen kann ich 120 % Prozent geben und da läuft’s einfach. Aber dann sind da eben auch die Phasen, in denen mein Körper und Geist mehr Erholung brauchen. Und beides darf da sein. Es ist sogar richtig gut, dass beides da ist. Ich bin selbst auch noch kein Profi darin, aber sowohl das Filmprojekt, als auch die Zeit nach dem Unfall haben mich viel aufmerksamer für mich selbst gemacht. Haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, dass wir uns gut um uns kümmern, denn wir haben nur einen Körper und ein Leben. Manchmal bekommen wir sogar ein Zweites geschenkt – das ist dann noch wertvoller.
Wie wichtig ist deine Intuition in den Bergen – und generell im Leben? Hörst du auf sie?
Meine Intuition ist Gold wert für mich. Wenn ich eines über die ganzen letzten Jahre in den Bergen gelernt habe, dann, dass die Intuition immer recht hat und dass es extrem wichtig für mich ist auf sie zu hören. Ich sehe sie ein bisschen so wie einen inneren Kompass, der die gesamte Erfahrung unterbewusst verarbeitet und bspw. in den Bergen auf das Gelände anwendet. Natürlich denke ich auch immer logisch und auch rational die jeweilige Fragestellung oder Situation durch, aber im Zweifel vertraue ich dann auf mein Bauchgefühl. Ersteres hilft mir dann auch dabei zu unterscheiden, was Intuition und was zum Teil vielleicht unbegründete Ängste sind. Bisher bin ich damit ziemlich gut gefahren.
Foto: Moritz Fladung | @moritzfladung
Du engagierst dich auch bei Protect our Winters – was genau machst du da und wie kann jede:r von uns auch zum Schutz der Berge beitragen?
Als Athlete:innen helfen wir bei POW öffentlichkeitswirksam für den Klimaschutz Aufmerksamkeit zu schaffen. Unter Anderem können wir uns durch interne Workshops und Diskurs zum Thema weiterbilden und das Wissen dann weiter geben. Zum Beispiel bei einem coolen Programm von POW namens “HPCA – Hot Planet Cool Athletes”, bei dem Workshops an Schulen zum Thema Klimawandel und Klimaschutz gegeben werden. Hier durfte ich erst kürzlich erst bei einem Workshop an einer Schule in Salzburg mitwirken.
Einer der wichtigsten Schritte für mich ist, dass jede:r von uns anfängt, die eigenen Entscheidungen bewusster zu treffen und sich selbst in der Thematik weiterzubilden. Die Klimaproblematik ist einfach super komplex und daher kann man hier nicht alles in schwarz oder weiß einteilen. Dann können wir uns selbst fragen, was in der eigenen Mobilität, im Konsum, in der Alltagsgestaltung und vor allem auch im Verhalten in den Bergen vielleicht die nachhaltigere Variante ist. Und dann, wo immer es uns möglich ist, diese zu wählen.
Ganz konkret kann das zum Beispiel heißen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Snowboarden oder Skitouren gehen zu reisen, was gerade im Alpenraum wahnsinnig gut funktioniert. Beim Wandern Müll mit einsammeln, ihn gar nicht erst in der Natur verteilen und möglichst wenig in die Natur einzugreifen. Es gibt echt super viele kleine Tweaks, die man in den Alltag einbauen kann und wenn viele diese umsetzen, einen positiven Effekt haben.
Betonung hier auf viele. Ich habe das Gefühl, dass durch die ausgeprägte, gegenseitige Kritik innerhalb der Gesellschaft viele Menschen etwas abgeschreckt sind, sich für die Umwelt zu engagieren, da sie glauben, sich dann 100 % perfekt verhalten zu müssen. Wir müssen nicht perfekt sein. Aber wir können versuchen, Fortschritte zu machen. Eben POW’s Credo: Progress instead of perfection. In unserem jetzigen System können wir als Konsumenten gar nicht perfekt handeln und in meinen Augen bekommt man durch gegenseitige Motivation und konstruktive Vorschläge viel mehr Menschen dazu, sich für etwas einzusetzen.
Während es super wichtig ist, dass jede:r von uns etwas auf persönlicher Ebene tut, glaube ich aber auch, dass der momentan so notwendige Wandel auf systemischer Ebene einen deutlich größeren und vor allem viel schnelleren Effekt auf die Klimaproblematik haben kann. Deshalb ist die Arbeit von POW und anderen Klimaschutzorganisationen, die mit der Politik und der Industrie in den Diskurs gehen, so wichtig.
Foto: Michael Cordey | @michael.cordey
Was sind deine Pläne und Wünsche für diesen Winter?
An oberster Stelle steht für mich meine Recovery. Mein Wunsch ist definitiv, wieder 100 % fit zu werden und einfach Spaß in den Bergen zu haben. Das Training für die Competitions werde ich auch wieder aufnehmen, wenn mein Kopf und Körper dafür bereit sind. Vielleicht geht sich ja die ein oder andere Comp diesen Winter noch aus – ansonsten nehm ich die Zeit, um nächstes Jahr wieder dabei und vor allem fit zu sein. Da ich noch recht neu in Lausanne bin, freue ich mich auch besonders neben dam Studieren darauf, die Westalpen mit neuen und alten Freunden zu erkunden. Das war eigentlich auch schon mein Plan letztes Frühjahr nach den Competitions aber dann kam ja alles etwas anders. Also ganz besonders freue ich mich wieder größere Touren im Wallis und um Chamonix herum zu gehen und die ein oder andere hübsche Line abzustauben. Auch hab ich eine Idee für ein Filmprojekt und bin gespannt, ob wir das zum Leben erwecken können. Wer weiß – das wird die Zeit zeigen. Und dann ist auch planen angesagt für das nächste größere Projekt in den Bergen dieser Welt. Ich bin auf jeden Fall sehr motiviert. So stay tuned.
Mehr Stories rund ums Snowboarden, Splitboarden und Surfen findest du in der aktuellen Winter-Ausgabe:
Beyond the Wihte horizon
Der Winter zeigt uns, wie magisch Veränderung sein kann: Berge, die du im Sommer kanntest, sind wie verwandelt und hinter dem nächsten Gipfel wartet schon ein neues Abenteuer. Alles ist möglich und das macht den Winter so magisch. In dieser Ausgabe drehen sich die Storys natürlich wie immer über mutige Frauen. Es geht um Sanftheit, Heimat, Abenteuer und Gemeinschaft. Um Surfen im Schnee und auf Wasser – und weil auch wir nicht stehen bleiben, gibt es Golden Ride ab sofort auch auf Englisch!