Als wir unseren Surftrip auf die Mentawais planten, war unser erster Gedanke: „Yeah, ab auf die Mentawais! Woohoo!“. Wir dachten an perfekte Wellen, kristallklares Wasser und Surfen im Bikini. Unser zweiter Gedanke ließ nicht lange auf sich warten: „Oh oh, aber ist das nicht eigentlich ein bisschen zu krass für uns?“ Wir dachten an heavy Reefbreaks über messerscharfem Korallenriff mit fiesen Drops, heftigen Wipeouts in viel zu flachem Wasser und Barrels, die für uns deutsche Surferinnen einfach eine Nummer zu heftig sind. Da wir aber schon so viel Gutes über das Surfparadies gehört hatten, warfen wir unsere Zweifel über Bord und wurden eines Besseren belehrt. Zum Glück.
Wellen und Schamanen fernab der Zivilisation
Die Mentawais sind eine zu Indonesien gehörende Inselgruppe, die circa 130 Kilometer südwestlich von Sumatra im Indischen Ozean liegt. Obwohl das Archipel nicht allzu weit vom Festland entfernt ist, war es aufgrund von starken Stürmen, unberechenbaren Strömungen und dem Riff lange Zeit isoliert und unzugänglich, wodurch es sich seine wunderbare Ursprünglichkeit größtenteils bewahren konnte. Viele Teile sind noch immer von tropischem Regenwald bedeckt, der die verrücktesten Pflanzen und Tiere beheimatet. Die indigene Bevölkerung zählt mit ihren Stämmen zu den ursprünglichsten Völkern Indonesiens und spricht ihre eigene Sprache. Einige Dörfer sind auch heute noch komplett abgeschieden und die Bewohner leben noch immer nach den animistischen Traditionen ihrer Urahnen, die auch Schamanen-Zeremonien mit einschließen.
Seit den 1980er-Jahren wird der Tourismus auf der Inselkette gefördert, wodurch sie erst Mitte der 90er-Jahre als Surf-Destination entdeckt wurde. Da die Wellen erst so spät auf dem Surfradar auftauchten, sind die Line-ups noch nicht ganz so überfüllt wie andernorts. Aber aufgrund der nahezu ganzjährig perfekten Surfbedingungen, der hohen Dichte an Weltklassespots, der wunderschönen, unberührten Insellandschaften und dem stetig wachsenden Surftourismus werden die Mentawai-Inseln immer mehr zum ultimativen Surf-Mekka.
Welcome to Paradise
Als wir nach einer langen, recht mühsamen und teuren Anreise endlich im Paradies, genauer gesagt auf Pulau Karangmajat, süd-östlich der Hauptinsel Siberut, ankamen, wurden wir direkt für alle Kosten und Mühen entlohnt. Es empfingen uns palmengesäumte, weiße Sandstrände, Mangrovenwälder, ein wunderschönes Eco-Resort, bestes Wetter und perfekte Wellen in glasklarem, badewannenwarmen Wasser.
Jordan, der Inhaber der „Kandui Villas“, die wir für eine gute Woche unser Zuhause nennen durften, begrüßte uns barfuß und mit frischen Kokosnüssen in der Hand. Nachdem wir uns mit Kokoswasser direkt von der Palme erfrischt hatten, bezogen wir unsere eigene, traditionell gehaltene und mit kunstvollen Schnitzereien verzierte Honeymoon-Holzhütte direkt am Strand und fühlten uns sofort pudelwohl.
Die kulinarischen Bedürfnisse wurden mit viel frischem Fisch, selbst angebautem Bio-Obst und -Gemüse und anderen Leckereien gedeckt und der Wellenhunger mit zwei bis drei Boatstrips pro Tag zu den umliegenden Spots in der „Playground-Area“ gestillt.
Surf Surf Surf
Die erste Surfsession hatten wir noch am gleichen Nachmittag an unserem neuen Home- und Lieblingsspot „Four Bobs“. Eine relativ softe, rechte Welle mit einfachem Take-off und kurzer Barrel-Section, die über Riff bricht. Vorhergesagt waren eigentlich nur vier Fuß, aber uns begrüßten kopfhohe, saubere Setwellen, die wir uns mit einer Crowd von zwanzig guten Surfern teilen mussten. Trotzdem bekamen wir einige Wellen, weil sich alle fair und korrekt verhielten und sich abwechselten. Abgerundet wurde die Session durch einen traumhaft schönen Sonnenuntergang in allen Pastelltönen, die man sich nur ausmalen kann. Wir surften bis wir fast nichts mehr sehen konnten und kletterten beseelt zurück ins Boot. Unser Captain manövrierte uns durch die Mangrovenwälder zurück zu unserer Unterkunft und wir fielen nach einem leckeren Abendessen rundum zufrieden in unsere Himmelbetten und träumten von den perfekten Wellen, die wir am nächsten Tag wieder surfen würden.
Am Morgen weckten uns leider Regenprasseln und Wind, was uns Zeit für ein ausgiebiges Frühstück verschaffte. Als sich die Morning-sickness endlich gelegt hatte und es aufklarte, ging es ab aufs Boot. Wir checkten verschiedene Spots, entschieden dann aber aufgrund der niedrigen Tide, noch einmal „Four Bobs“ zu surfen, da die Alternativen zu shallow waren. Aber auch diese Welle hat es bei Lowtide in sich und das bekamen wir zu spüren. Zuerst rammte ich mein Brett beim Duckdiven mit der Nose ins Riff und später holte ich mir ein paar fiese Reefcuts am Fuß, als ich den Take-off vermasselte und ordentlich durchgewaschen wurde. Obwohl viel weniger Leute im Wasser waren als am Abend zuvor, war es recht schwierig, eine Welle zu erwischen, da nur sehr wenige Sets durchkamen und die Australier, die mit uns im Line-up saßen, nicht gerne teilten. Aber so ist das eben manchmal.
Die Surf Spots
Für den nächsten Tag war ein Swell von sechs bis neun Fuß vorhergesagt, also drei bis fünf Fuß mehr als zuvor und alle waren heiß darauf, „No-Kandui“ zu surfen. Wir ließen uns überreden, dem Spot vor unserer Haustür eine Chance zu geben, obwohl wir wussten, dass es eine extrem schnelle, barrelnde Linke ist, die so gar nicht unserem Level entspricht. Als wir zwischen Mid- und Lowtide dort ankamen, waren schon zehn sehr gute Surfer im Wasser und selbst die waren teilweise zu langsam oder saßen zu tief und wurden von der Welle „gefressen“. Wir setzten uns an die Schulter und versuchten ein paar Ausläufer zu erwischen, was aber recht schwierig war, weil die Welle vor allem bei niedriger Gezeit super schnell bricht. Als wir uns nach relativ kurzer Zeit davon überzeugt hatten, dass es wirklich nichts für uns ist, ließen wir uns mit dem Boot zu „A-Frames“ chauffieren und hatten dort eine Menge Spaß. Wie der Name schon sagt, bricht die Welle nach links und rechts mit Blick auf eine wunderschöne, kleine Palmeninsel. Sie ist nicht ganz so gemütlich wie „Four Bobs“, aber der Take-Off ist auch hier recht einfach und die Welle läuft sehr lange und bildet eine schöne Wall, ideal für Turns und Cutbacks.
Die darauffolgenden Tage verbrachten wir größtenteils im Wasser und kamen wellentechnisch voll und ganz auf unsere Kosten. Die Arme fühlten sich irgendwann an wie Pudding, uns tat alles weh, aber nach der nächsten perfekten Welle war all das vergessen und wir warteten auf die nächste und die nächste und die nächste. Nach jeder Session waren wir fix und fertig, aber auch wahnsinnig glücklich und dankbar. Für einen Layday war natürlich keine Zeit, da wir jeden einzelnen Tag, den wir hier verbringen durften, voll und ganz auskosten mussten. Schlechte Bedingungen, die uns mal eine Pause gegönnt hätten, gab es „leider“ auch nie, da man aufgrund der verschiedenen Ausrichtungen immer einen Spot findet, bei dem der Wind gerade offshore bläst und eine perfekte Welle in gewünschter Größe läuft.
In der Playground-Area gibt es über zwanzig verschiedene Spots, die mit dem Boot innerhalb von 10 bis 45 Minuten erreichbar sind. Von relativ einfachen Wellen wie Four Bobs, A-Frames, Nipussi, Beng Bengs und Burgerworld bis hin zu weltbekannten, heftigen Barrels wie Bank Vaults, No-Kandui, Rifles etc. findet man alles, was die Herzen der verschiedenen Surflevels höher schlagen lässt. Sowohl die etwas erfahreneren Intermediates als auch die Experts unter uns finden hier genau das, was sie suchen und fliegen mit müden Armen und einem fetten Grinsen im Gesicht wieder nach Hause.
Surfsaison:
Die offizielle Surfsaison geht von März bis einschließlich Oktober, mit einer Peak-Season von Mai bis August, in der die Wellen am größten sind. Aber auch in der Off-Season von November bis Februar kann man eine Menge Spaß haben. In dieser Zeit laufen dann zwar nicht unbedingt die bekannten Weltklassespots und die Swells fallen kleiner aus, aber surfbar ist es allemal.
Wetter:
Die Inseln sind mit dem für Indonesien typischen, tropischen Klima mit Luft- und Wassertemperaturen um die 30 Grad gesegnet, wobei es sich oft heißer anfühlt, da selten Wind weht. Im Januar und Februar fallen die ganzjährigen, gelegentlichen Regenfälle etwas heftiger aus.
Unterkunft:
Man hat auf den Mentawais die Möglichkeit, entweder einen Boatstrip zu machen oder in einem der vielen Resorts auf den verschiedenen Inseln zu wohnen. Hierbei sollte man darauf achten, dass die Boatrides zu den Spots inklusive sind, da nur wenige vom Land aus zu erreichen sind. Die günstigeren Unterkünfte bieten meist nur einen Spot-Transfer pro Tag an, die sehr günstigen gar keinen. Das heißt, man kann dann nur die Welle surfen, die direkt vor der jeweiligen Insel bricht oder muss sehr weit laufen.
Wir durften in dem einzigartigen Luxus-Resort Kandui Villas (www.kanduivillas.com) wohnen, das sich der Nachhaltigkeit verschrieben hat, sich optisch in die traditionelle Kultur der Mentawais eingliedert und versucht, die Einwohner so gut wie möglich darin zu unterstützen, ihre Lebensqualität zu verbessern. Unter anderem geschieht dies mit dem Projekt „Waves for Water“ (www.wavesforwater.org), mit dem Locals Zugang zu sauberem Trinkwasser verschafft wird, was leider keine Selbstverständlichkeit ist.
Mitnehmen:
Da die Inselkette jenseits jeder medizinischen Versorgung liegt, sollte man ein gut ausgestattetes First-Aid-Kit und die nötigen Medikamente dabei haben, um sich im Notfall selbst versorgen zu können. In den Kandui Villas hatten wir einen Arzt der „Surfing Doctors“ (www.surfingdoctors.com) vor Ort, der sich um unsere Reefcuts und andere Wehwehchen kümmerte, das ist aber nicht der Regelfall.
Weil man vor Ort nichts kaufen kann, sollte man von allem reichlich dabei haben, was man in den Tropen und zum Surfen so benötigt. Zum Beispiel: richtig viel Sonnencreme, Zink, Antimückenspray, Wax, Reefbooties, Ersatz-Leash und -Finnen, Solarez etc.
Um Plastikmüll zu vermeiden, macht es Sinn, eine Aluflasche mitzunehmen und diese immer wieder mit Trinkwasser aus einem größeren Tank aufzufüllen, statt Plastikflaschen zu verwenden, die hier irgendwann im Meer landen oder verbrannt werden.
Schultern- und Knie-bedeckende Kleidung sollte man als Frau zumindest für die Überfahrt und den Aufenthalt in Padang und Siberut dabei haben, da es sich um ein muslimisches Land handelt.
Last but not least: Die Surfbretter. Hier darf mit, was Spaß macht und dem eigenen Level entspricht. Von mellow Wellen bis Overhead-Barrels ist alles dabei, du kannst also mit deinem Lieblingsbrett anreisen und dir die dazu passende Welle aussuchen. Ich hatte ein klassisches 6’0er-Shortboard und ein 5’9er-Egg (für kleinere beziehungsweise fettere Wellen) dabei und hatte mit beiden einen Heidenspaß.
Hinkommen:
- Via Kuala Lumpur oder Jakarta nach Padang auf Sumatra
- Fähre nach Siberut (ca. 4-5 Stunden)
- Speedboat zur gebuchten Unterkunft
Die Kosten für die Überfahrt sind je nach Unterkunft verschieden. Hinzu kommt auf der Fähre noch eine Gebühr pro Boardbag, die je nach Gewicht zwischen 15 und 50 Euro liegt, also: travel light.
Um auf den Mentawais surfen zu dürfen, muss man außerdem eine Surftax in Höhe von 1.000.000 indonesischen Rupiah (ca. 70€) bezahlen.