Angst beginnt im Kopf – Mut auch!
Angst kann hemmen oder motivieren, du wählst!
Über die Angst beim Surfen:
Mein Herz rast, mein Puls ist auf 180, mein Atem geht so schnell, dass meine Lungen zu platzen drohen, ich schlucke und schlucke, will die Tränen unterdrücken, die raus wollen. Das Monsterset hat mich so heftig erwischt, dass ich nicht mehr weiß, wo oben und unten ist. Und jetzt? Jetzt brennt Angst in mir, in meiner Brust und in meinem Bauch, dort kann ich sie genau fühlen, sie drückt alles zusammen. Ich paddel an Land, für heute reicht es mit dem Surfen.
„In manche Spots gehe ich erst gar nicht, da weiß ich, dass meine Angst mich blockieren wird, die Locals gucken da immer so komisch, der Einstieg und Ausstieg sind die Hölle. Also surfe ich wieder dort, wo ich immer surfe, ich will mich ja nicht blamieren, sondern Spaß haben.“
So ging es mir häufig und so hörten sich meine Selbstgespräche beim Surfen vor einigen Jahren an. Deshalb hier einige Tipps zum Angst überwinden:
Surfen zu lernen ist am Anfang relativ einfach, im Weißwasser ins Gleiten zu kommen und aufzustehen geht nach einigen Übungstagen recht flott und macht auch noch Spaß. „Ich dachte, dass Surfen lernen viel, viel schwieriger wäre.“ Bis ich dann aber zum ersten Mal ins Line-Up paddelte und meine erste grüne Welle surfen sollte, irgendwie fing da eine ganz neue Geschichte an. Ab diesem Zeitpunkt begann das Surfen für mich auch eine psychologische Herausforderung zu sein: die Strapazen des Heraus-Paddelns, die anderen Surfer im Line-Up, das Timing beim Take-Off, die Vorfahrtsregeln und das Gefühl da draußen ganz allein mit den Set-Wellen zu sein, machten mir auf einmal zu schaffen.
Angst und Furcht sind Emotionen, die bei einer Bedrohung (oder der bloßen Vorstellung davon) des Menschen auftreten. Als grundlegende, stammesgeschichtlich herausgebildete Warn- und Schutzfunktion treiben Angst und Furcht zur Flucht und aktiven oder passiven Vermeidung von Situationen an, die Schmerz, Verletzung und Tod zur Folge haben können. Das ständige „Sichern“ vieler Arten verdeutlicht die Erwartung einer Gefahr, ohne dass diese von einem bestimmten Objekt ausgehen muss.
Surfen ist eine Risikosportart, nicht nur, weil es im offenen Meer stattfindet, mit Strömungen und Gezeiten, Monsterwellen und Lebewesen im Wasser verbunden ist, sondern auch weil wir eine Naturgewalt nutzen wollen, die viel, viel stärker ist als wir selbst. Wie leicht man sich beim Surfen verletzen kann, das wissen wir nur zu gut! Aber ist das die Angst, die uns davor zurückschrecken lässt eine kleine grüne Welle hinab zu sausen? Oder im Line-Up neben den Locals eine Welle anzupaddeln?
Alles, was wir nicht kennen, macht uns erst mal Angst, das ist natürlich. So musste ich mich erst an die vielen neuen Sachen gewöhnen und so langsam die Angst überwinden: an die Blicke der anderen Surfer, an die Stimmung im Line-Up und an meine Angst, die auf einmal da war.
Wir müssen zwischen zwei Arten von Angst unterscheiden: die Überlebensangst (d.h. ein Gefühl in einer Situation, die mein Leben oder das anderer wirklich oder scheinbar bedroht) und einer Unterlassungs- bzw. Vermeidungsangst (d.h. ein Gefühl, das mir sagt: du könntest hier Probleme bekommen oder fühlst dich nicht wohl in deiner Haut, hier gibt es noch keine konkrete sichtbare Bedrohung und trotzdem fühle ich Angst). Die Überlebensangst ist sehr wichtig für uns Menschen, sollte geschätzt, wahrgenommen und Folge geleistet werden.
Die zweite Art der Angst hingegen ist die, die uns am Weiterkommen im Surfen am meisten im Wege steht. Es sind wohl unsere meisten Ängste. Hier bleiben wir oft aus Bequemlichkeit in unserer Komfortzone, zu Hause, an unserem Lieblingsspot und somit auf der Strecke. Unsere Ängste sind zu einem großen Prozentsatz getriggerte Ängste, also Ängste, die mit der realen Situation eigentlich nichts zu tun haben, sondern mit einer Angst aus unserer Vergangenheit mit einem ganz anderen Hintergrund.
Hier ein Beispiel: Es ist Sommer und warm, ich paddle in meinem schönsten Bikini ins Line-Up an meinem Lieblingsspot, heute bin ich richtig gut drauf, die Wellen sind klein aber fein und ich bin fit und fühle mich wohl. Im Line-Up sehe ich schon ein paar bekannte Gesichter. „Ups, ein Gesicht kenne ich nicht, den Typen habe ich hier noch nie gesehen, der kommt von diesem anderen fiesen Spot, klar, der läuft heute nicht, oh Mann, der guckt schon rüber zu mir, der ist berühmt dafür, dass er alle anschnauzt und alle Wellen bekommt. Wenn der sieht, dass mein Take-Off nicht immer klappt, dann macht er mich zur Schnecke. Ich habe gar keine Lust mehr, ehrlich, jetzt lacht er auch noch mit den anderen, wahrscheinlich über mich, da ich mal wieder das einzige Mädel bin und mein Board breit und dick ist….Schluck, ich glaube ich gehe wieder raus, ich kann ja in einer halben Stunden noch mal gucken, vielleicht ist er dann ja weg….“
Dieses Gedankenspiel endet in Angst vor einer Situation, die a) noch gar nicht eingetreten ist b) völlig anders ausgehen könnte c) eine Vermeidungsreaktion auslöst, da man davon gehört oder sogar nur gelesen hat d) eine getriggerte Angst wach ruft, da in der Vergangenheit etwas ähnliches erlebt oder darauf aufgebaut wurde.
Meine getriggerte Angst ist hier nicht vor dem Local, sondern „ ein Problem mit einem Mann zu bekommen“, denn meine großen Brüder haben mich als Kind immer unterdrückt und mir keine Rechte eingeräumt, der Local verkörpert also meine Brüder und ich fühle mich als wäre ich immer noch diese kleine Niki. So nicht, es reicht!
Tipps zum Angst überwinden
- Bewusst wahrnehmen und akzeptieren:
Wo sitzt diese Angst? Wie fühlt sie sich an? Warm, heiß, kalt? Welche Farbe würde ich ihr geben? Und vielleicht sogar einen Namen?
Jetzt, da ich weiß, dass ich diese konkrete Angst habe, nehme ich sie als ein Geschenk an, da ich an dieser Angst wachsen kann. Ich akzeptiere sie so wie sie ist und sage mir: „Ok Angst, da bist du ja, du bist ein Gefühl, ich bin nicht du, ich habe dich nur gerade und werde dich auch wieder los. Jetzt gerade darfst du noch bleiben, aber bald musst du wieder abhauen!“
Hört sich erst mal leicht an, ist aber in der Praxis ein bisschen Übungssache wie das Surfen ja auch ;). Du wirst sehen, je öfter du das machst, umso schwächer wird deine Angst, denn sie merkt, dass sie an Schrecken verliert.
Bewusstes Wahrnehmen lernt man durch folgende Techniken: Mindfullness Übungen, Meditationen, Thai Chi, Yoga… Alles, was mit Konzentration auf den eigenen Körper zu tun hat.
- Kleine Schritte in Richtung Angst
Die Philosophie der kleinen Schritte scheint aus der Mode gekommen zu sein, wir wollen nicht mehr Step by Step lernen, wir wollen gleich alles und zwar sofort. Im Surfen sind aber die kleinen Schritte die Wichtigsten und Effektivsten, denn sie schützen dich vor Verletzungen, Frustrationen, groben Fehlern und Panik. Hast du Angst z.B. in einem ganz bestimmten Spot zu surfen, dann kannst du in diesen Spot erst einmal mit einem größeren Board oder sogar mit einem Softboard reingehen, damit du dich sicherer fühlst und Selbstvertrauen aufbauen kannst. Mache das so oft, bis du merkst: „Jetzt bin ich bereit für das nächste Level.“ Der Weg der kleinen Schritte entspannt dich, denn du musst nicht gleich ein Monsterrisiko eingehen. Entspannte Leute machen viel weniger Fehler, haben viel mehr Spaß und sind offen, Neues zu lernen.
- Übe Mut in anderen Bereichen
Du hast richtig gelesen, nimm andere Bereiche, die mit dem Surfen nichts zu tun haben und übe dort mutig zu sein. Was könnte für dich eine kleine Mutprobe sein? Davon machst du dann jede Woche oder alle zwei Wochen eine. Hier mal ein Beispiel: mit grell pinken Fingernägeln ins Büro gehen oder mal Locken ausprobieren oder mal den Nachbar ansprechen, dass seine Mülltonne stört… Und dann suchst du dir noch eine große Mutprobe fürs nächste halbe Jahr: z.B. allein Tanzen gehen, allein Verreisen, Karaoke singen, deiner alten, großen Liebe eine E-Mail schreiben…
Du wirst sehen, wenn wir Mut in anderen Bereichen lernen, dann lernen wir Selbstvertrauen und können dieses dann mit ins Line-Up nehmen.
- Visualisiere die Überwindung deiner Angst
Stelle dir deine Angstsituation beim Surfen im Kopf vor und schreibe das Drehbuch dafür jetzt um. Siehe deine Angstsituation und wie du sie meisterst, siehe dir selbst zu, wie du in perfekter Weise das tust, wo vor du eigentlich Angst hast: z.B. anstatt den Locals verstohlen ein „Hi“ zuzuflüstern siehst du dich auf sie zu paddeln und ihnen fröhlich ein lautes „Hallo“ sagen und sie fragen wie es steht! Du siehst dich die Monsterwelle runter sausen mit Fahrtwind im Haar! Stelle es dir lebendig, schön und bunt vor und am besten noch mit deiner Lieblingsmusik im Hintergrund. Spüre wie es sich anfühlt! Unsere Gehirn kann nicht unterscheiden, ob das dann nur vorgestellt oder Wirklichkeit ist. Und was mein Gehirn schon kennt, davor hat es weniger Angst.
- Entscheidung und Verpflichtung
Ich entscheide mich zu surfen und ziehe das auch durch. Ich gehe in den Spot und werde mindestens zehn Wellen surfen und koste es was es wolle, ich lasse mich davon nicht abbringen. Wenn ich surfen gehe, dann gehe ich surfen und nicht planschen oder Sonnenbaden. Uns fällt es schwer dabei zu bleiben, wenn es Probleme gibt oder ungemütlich wird. Dann kommt die Angst und sagt uns: heute nicht, geh lieber raus… Oder beim Anpaddeln zögere ich und mache im letzten Moment einen Rückzieher.
Stop it!
Im Surfen gibt es nur ein JA oder ein NEIN. Und dazu muss ich stehen. Wenn ich eine Welle anpaddle, dann muss ich sie auch fahren. Wie kann ich aber in diesem Moment meinen inneren Schweinehund überwinden? Gib dir selbst ein Befehlswort, das dir gut tut und dich in der Konzentration hält wie z.B. RUHE, ICH KANN, JETZT, YEAH, HOCH, …wenn dein Gehirn mit diesem Wort den Take-Off verbindet, dann ist das bald automatisiert und du brauchst das Wort gar nicht mehr. Auch hier macht Übung die Meisterin.
YODA: DO OR DO NOT – There is no try!
Diese Übungen sind nur ein kleiner Ausschnitt, um dich mit deiner Angst anzufreunden, man kann noch ganz viele andere Methoden anwenden. Nur bedenke: du musst dich bewegen und etwas anders machen als bisher, sonst bleibt alles beim Alten.
Wir Menschen habe drei Möglichkeiten auf unsere Angst zu reagieren: Flucht, Todstellen und Angriff. Du wählst!
Wenn fliehen und Todstellen mich in meiner Komfortzone halten, dann führt mich der Angriff raus aus dieser Zone in die sogenannte Lernzone. Hier fängt das Wachsen, das Lernen, das Abenteuer an. Um unser Surfen zu verbessern, bleibt uns keine andere Wahl als auch mal ein neues Board auszuprobieren, neues Spots, neue Surfmats, Reisen, Surfwettbewerbe, neue Hobbies, Mutproben…
„Auf der anderen Seite der Angst wartet immer eine Belohnung!“
Wenn du diese Übungen nicht allein machen möchtest und lieber in einer Gruppe oder mit Hilfe eines Coaches, dann melde dich zum Workshop „Be Water – Surf better!“ an oder buche ein Privates Surfcoaching bei mir.
https://www.animawomenssurf.com/surf-yoga-retreat/
Sei mutig! Alles ist möglich!
Mehr zum Thema Angst überwinden findet ihr in unserem Beitrag über Wipeouts…