Wie Surfcamps mit der Pandemie umgehen und ums Überleben kämpfen
Corona, Was hast Du noch so auf Lager? Was sind deine Pläne für 2022? Meine sind, mit dir leben, ohne dass ich deine ständigen Drop-ins in meine Welle des Lebens hinnehmen muss. Die ganze Welt ist von der Corona-Pandemie betroffen. Auch Surfcamps sind nicht verschont geblieben. Samuel Furtado ist Surfcampbesitzer in Protugal. Auch er hat die Pandemie mit vielen Schwierigkeiten erlebt. Eva war diesen Sommer Gast in seinem Surfcamp und hat sich mit ihm unterhalten, womit er in der Pandemie zu kämpfen hat.
Text von Eva Henger
Dem Coronafrust streckte ich 2021 meine mächtigste Waffe entgegen – ab zum Surfen nach Portugal, ganze drei Mal. Ich habe leicht reden, denn als zweifach Geimpfte und Genesene wurden mir hierfür bislang wenige Steine in den Weg gelegt. Zu Weihnachten erklärten die Behörden Portugal erneut zum Hochrisikogebiet.
Was wohl Samuel Furtado dazu sagen würde, den ich zum Ende der Hauptsaison, zum Interview traf
„Ich bin ein Kämpfer wie meine Mutter“, sagt Samu und schaut auf das Meer, das – als wäre nichts gewesen – für Surfer:innen aller Levels unermüdlich Wellen an die südwestliche Küste der Algarve schickt, „aber noch so eine Saison halte ich nicht durch.“
Der atlantische Ozean ist nicht nur sein Freund, er verdient auch sein Geld damit – zu Zeiten von Corona ist das eine heikle Sache. Samuel ist Gründer und Besitzer der Surfschule Funride, die sich den Strand von Amado mit zwei weiteren lokalen Surfschulen teilt. Amado ist ein Beachbreak, der mit „Kindergarden“, „Peak“ und „Downtown“ drei Surfzonen bietet, die je nach Tide und Anforderung gefragt sind und frequentiert werden. Ein kleinerer Ableger der Surfschule befindet sich am weiter südlich gelegenen Strand von Castelejo. Samu betreibt außerdem ein Surfcamp für zirka 60 Personen im 20 Minuten entfernten Ort Raposeira. Hier steht das Haus seiner Mutter, die es Samu nach dem Tod seines Vaters überlassen hat. 2002 erfüllte sich Samu seinen großen Wunsch und gründete hier sein eigenes Surfcamp, das stetig wuchs. Über die Jahre erweiterte er es um die anliegenden Grundstücksflächen mit einem Campingplatz mit Holzzelten (Sheddies), Sandflächen und einer Miniramp.
Ohne Teamwork geht nichts
Drei Monate lang konnte Samu im Jahr 2021 eine halbwegs normale Saison leben. Davor hat ihm die Delta-Variante einen bösen Strich durch die Rechnung gemacht. „Im Juni wollten mein Team und ich voll durchstarten. Unsere Gäste kommen hauptsächlich aus Deutschland. Mit Ausbruch der Virusvariante, ihren Gefahren und Folgen sowie den Bestimmungen der Behörden war ein normaler Betrieb unmöglich – unsere deutschen Besucher:innen haben sofort ihre Koffer gepackt und sind nach Hause geflogen. Es gab keine Buchungen. Das Ergebnis: Wir hatten zwei Surfschüler:innen aus der Schweiz zum Anfang der Hauptsaison. Dann ging der wilde Ritt los. Es gab Wochen, da hatten wir zu wenig Gäste und ich zu viel Personal. In der Zeit, in denen wir fast ausgebucht waren, kam ich mit den Mitarbeiter:innen, die mir zur Verfügung standen, kaum hinterher.“
Die Saison 2021 war bereits die zweite Coronasaison, die Samu mitgemacht hat. 2020 war für den leidenschaftlichen Surfer und Motocross-Fahrer eine Nullnummer. Es war eine Saison, aus der er mit keinen Einnahmen herauskam. Nachdem Corona als realistische Bedrohung erkannt und publik gemacht wurde, musste Samu das Camp und die Schule von einem auf den anderen Tag schließen und Personal entlassen. Als es die Hoffnung gab, wieder zu öffnen, war es schwer an Surflehrer:innen und Betreuungspersonal zu kommen. In der Branche fehlte Verbindlichkeit und es herrschte Unsicherheit. Über die Mitarbeiter:innen, die er gefunden hat, freut sich Samuel umso mehr. Den Menschen um sich herum, kann er vertrauen. Sie halten zu ihm. „Meine Surflehrer:innen, meine Manager:innen, meine Campcrew – ich habe ein treues Team. Mit einigen von ihnen bin ich jahrelang befreundet. Meine Angestellten haben großes Verständnis für die schwierige Situation. Ich musste auch schon sagen: ‚Entschuldigt bitte, ich kann euch gerade nicht das volle Gehalt auszahlen.’ Sie sind trotzdem da und arbeiten für zwei. Danke für die Unterstützung!“ Surflehrer Jules, der bereits seit 2017 bei Funride arbeitet, sagt im Gegenzug: „Samu ist der beste Chef, den ich je hatte.“ Hier scheint eine Verlässlichkeit in der Unplanbarkeit zu herrschen.
Eva ist glücklich von der Corona Pandemie im Wasser eine Auszeit zu genießen
Mit den Hilfeleistungen der portugiesischen Regierung ist Samu weniger zufrieden: „Ich habe vor Corona viel Geld in das Camp gesteckt, Transfer-Busse gekauft, einen Pool gebaut, in ein Haus für meine Angestellten investiert, den Campingplatz vergrößert – und dafür hohe Kredite aufgenommen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis mir das um die Ohren fliegt. Aufgeschoben ist hier nicht aufgehoben und die Steuern werden nicht weniger. Das, was vom Staat kam, sind Pfennigbeträge, wenn ich bedenke, was ich bezahlen muss. Es ist schwierig und macht mir Angst, wenn ich in die Zukunft schaue.“ Auch wenn Samuel bereits vieles von dem, was er sich vorgenommen hat, im Camp umsetzen konnte, mussten neue Pläne hintenangestellt werden. „Ich wollte für diese Saison neue Boards und neue Wetsuits für meine Gäste organisieren. Aber auch die Surfindustrie hatte Lieferengpässe und kann bis heute keine verbindlichen Daten nennen. Ich hatte auch vor, das Camp neu herzurichten, denn da gibt es so viel zu tun. Mir gefällt der aktuelle Zustand der Anlage nicht, aber Renovierungen waren in den vergangenen Monaten nicht drin. Es scheiterte schon daran, dass ich keine Handwerker engagieren konnte, die rechtzeitig verfügbar waren. Ich bin auch vorsichtig geworden mit Investitionen in das Camp, da ich mich nicht darauf verlassen möchte, dass ich das alles in den kommenden Jahren wieder verdienen kann.“
Die Pandemie hat ihre Folgen
Anderen Surfcampbesitzer:innen scheint es ähnlich zu gehen wie Samu. „Bislang musste niemand, den ich kenne, sein Camp aufgeben. Es ist für alle schwierig, auch für die großen Unternehmen im Surftourismus. Ich tausche mich täglich mit Kolleg:innen aus der Branche – auch in Deutschland – aus. Wir haben durchaus das Glück, dass Surfen so populär geworden ist und uns die Interessent:innen so schnell nicht ausgehen werden.“
Dem kann ich nur zustimmen, denn ich und einige meiner Freundinnen gehören zu diesen Interessentinnen. Ich besuche Samus Camp zwei Mal in 2021 – Anfang August und Mitte September. Mir fällt auf, wie viele junge Surfer:innen hier zu Gast sind, was sich auch im Line-Up bemerkbar macht. Die Regeln in der Algarve sind klar. Hier wird miteinander kommuniziert, der Ton ist höflich und selbst wenn die Welle dir gehört, ist es auch mal in Ordnung, einen Rückzieher zu machen, bevor andere unnötig in Gefahr gebracht werden.
Etwas anders läuft das in Ericeira – dem Surfmekka PortugalsDas Surfniveau ist hoch und ich komme hier zur Nebensaison in einer kalten Novemberwoche mit der entsprechenden Wellenbeschaffenheit an. Im zirka zwei Autostunden entfernten Nazaré warten bereits alle auf das Eintreffen der ersten Big Waves.
Meine Freundin Kristin und ich – beide Aufsteiger:innen – sind mit dem selbstbewussten, in Ericeira geborenen Surfguide Flavio unterwegs. Das erleichtert uns den Zugang zu den für uns geeigneten Wellen – nicht nur weil er die Spots, sondern auch die Leute im Line-Up kennt. Flavio schimpft mit einem Lächeln im Gesicht ein bisschen über den ansteigenden Surftourismus in seinem Heimatland. „Aber die meisten der Anfänger:innen halten eh nicht länger als ein oder zwei Saisons durch, dann lassen sie es wieder sein.“
Vor allem ärgert ihn der Müll, den die Tourist:innen hinterlassen. Täglich hebt er herumliegende Flaschen, Tüten und Zigarettenstummel auf.Damit ist er nicht allein – das ist in der Algarve ebenso ein großes Problem.Denn auch wenn sich Surfcampbesitzer Samu hier wieder mehr Tourismus wünscht und auf eine Großzahl an Surftourist:innen in 2022 hofft, beschreibt er die Auswirkungen der Pandemie auf die Natur als Segen: „Wir durften eine Zeit lang nicht surfen, was echt hart für mich war. Der Strand war menschenleer, und doch voller Leben. Ich habe hier Tiere zu Gesicht bekommen, die sich sonst nicht blicken lassen – wilde Schweine und Füchse zum Beispiel. Und das Meer war so sauber wie nie.“
Das Leben hat sich verändert
Sämtliche Menschen, die vom (Surf)tourismus in Portugal leben, begegnen seit Beginn der Pandemie einem Auf und Ab aus zu viel und zu wenig Arbeit. Daraus resultieren finanzielle Sorgen und Zukunftsängste.Samuel erzählt von Fischern, die er seit seiner Kindheit kennt: „Die gehen nur noch zum Zeitvertreib fischen. Lange war keiner da, der die Fische essen wollte. Es war auch kein Restaurant offen, das die Fische hätte zubereiten können.“
Auch Taxifahrerin Anna, die mich zum Flughafen fährt, schildert ihr Leid: „Ich bin Büro und Taxifahrerin in einem. Meine Agentur hat in der Krise unsere Managerin gefeuert und mit ihr die halbe Belegschaft. Mich haben sie nur behalten, weil ich schon so lange dabei bin – und haben mir dazu die Buchungen überlassen. Steigt der Tourismus wieder an, fahre ich Tag und Nacht und mache nebenher per Telefon die Organisation rund um die Buchungen.“
Die Surftourist:innen vor Ort zeigen sich von all dem unberührt – Parties und Musik unterm Sternenhimmel ohne Maske machen den Anschein als sei alles okay. Denn zu Hause sind die Clubs geschlossen und Konzerte sind nur unter Einhaltung harter Bestimmungen durchführbar. Das Leben fühlt sich entspannter und freier an – ein bisschen wie „vorher“. Dabei war Portugal 2021 hauptsächlich Hochrisikogebiet, wenn nicht gar Virusvariantengebiet und damit selten frei. Wird sich das in 2022 bald ändern? Wie werden Surfreisen unter diesen Umständen diese Saison durchführbar sein? Eines sehe ich kommen: Sie werden ein Privileg der vollständig Geimpften werden, es sei denn, es wird genug Zeit für Quarantäne eingeplant.
Auch Samu aus der Algarve ist skeptisch, wie es weiter gehen soll, aber auch so optimistisch, wie es nur ein Surfer sein kann. „Ich habe das so nicht kommen sehen und habe keinen Plan B. Ich liebe mein Surfcamp und ich werde mich weiter darauf konzentrieren. Ich glaube fest daran, dass wir das Schlimmste hinter uns haben. Sollte alles scheitern, habe ich eh Glück, weil ich an diesem perfekten Ort leben darf.“
Davon können die meisten von uns nur träumen – mit oder ohne Corona.
Hier findest du eine Auswahl an Surfcamps für deinen nächsten Surfurlaub.