Surfen in Porto
Knallheiße Sommer, eine romantisch verfallene Altstadt und die große Brücke über den Douro, die an einen quer liegenden Eiffelturm erinnert – so kennt man Porto von Postkarten und aus Reiseführern. Im Hintergrund glitzert meistens der Atlantik, in den der Douro mündet. Ja, der Atlantik! Warum spricht eigentlich keiner darüber, wenn über Porto geredet wird!? Alle erzählen von Portwein und dem rauen Charme des Nordens, aber kaum einer über die grandiosen und oft leeren Line-ups rund um Portugals zweitgrößter Stadt. Sagres, Peniche, Nazaré – schon klar, alles schon tausend Mal gehört und gelesen. Aber Cortegaça, Espinho und Matosinhos – noch nie gehört! So geht es wahrscheinlich den meisten. Dabei handelt es sich bei diesen Spots längst um kein Geheimnis mehr. Fragt man in Porto nach den nächstgelegenen guten Spots, dann weiß sogar der Maronenverkäufer in der Innenstadt die Namen ohne Zögern aufzusagen.
Porto
Im letzten Winter verbrachte ich sechs Monate in der zweitgrößten Stadt Portugals und lernte neben dem Unterschied zwischen weißen und roten Portwein auch viele liebe Menschen und leere Surfspots kennen. Manchmal war es hart. In meinem 4’3er Neopren gehüllt, unter einer kalten Walze, dem Gehirnfrost bedrohlich nah. Man kann auch nicht sagen, es wäre besser gewesen, sobald man dann aus dem Wasser herraus war: viele Häuser haben keine Heizung und die Feuchtigkeit des portugiesischen Winters zieht in wirklich jede Ritze. Oft ging ich an sonnigen Wintertagen surfen, weil ich für einen kurzen Moment die wohlige Wärme meines Neoprenanzuges genoss, weil mit Booties auf meinem Brett sitzend mir die Sonne die Nase kitzelte und ich für einen Moment aufgewärmt war. Und natürlich wegen der Wellen! Die gibt es nämlich das ganze Jahr über und so manch eine Bucht bleibt geschützt von zu großen Swells.
In dem Ort Matosinhos befindet sich Portos Stadtstrand. Und jüngst bewies sogar David McNamara bei einem kleinen Besuch im Norden, dass der Beachbreak dort viel mehr sein kann als ein Ausflugsziel für Großstädter an einem warmen Wochenende. Mit der blauen Metro-Linie kommt man aus Portos Innenstadt in ca. 25 Minuten Richtung Senhor de Matosinhos an die lang gestreckte Bucht, Haltestelle Matosinhos Sul. Die lange Promenade wird gerahmt von den Kränen des nahe liegenden Hafens im Norden und dem kleinen Castelo de Queijo (Käseschloß!) im Süden und versprüht eher einen rauen Charme. Nicht zu vergleichen mit den herausgeputzten Stadtstränden bei Lissabon zum Beispiel. Aber dafür gibt es hier auch kaum herausgeputzte Surfer:innen. Zumindest wenn der Herbst beginnt. Im Sommer ist der Strand ein beliebter Beginner-Spot. Zwischen Herbst und Frühling schrumpft die Anzahl von Surfer:innen auf eine überschaubare Crowd – soweit man das überhaupt so nennen kann.
Gleich zu Beginn meines Aufenthaltes lerne ich im Wasser entspannte Leute kennen und bekomme Tipps wo man sich wann am besten in der Bucht positioniert. Meistens läuft vor allem die Südseite der Bucht, wo die Wellen an den mit Sand überdeckten Felsen des Käseschlosses brechen. Dort kann es schon mal hoch hergehen, wie Mr. McNamara auch in seinem kleinen Filmchen beweist. Für gemäßigtere Wellen geht man einfach den Strand Richtung Norden hoch. Dort werden die Felsen schnell zu Sand. Am nördlichen Ende des Beachbreaks gibt es eine Hafenmauer. Wenn der Swell von Norden groß ist oder eine leichte westliche Richtung hat, wickeln sich die Wellen um den Wellenbrecher des Hafens und brechen an der Mauer. Beste Gezeit ist Low Tide auflaufend.
Matosinhos bedient wirklich jede Könnerstufe und jeden Geschmack. Das Wasser ist kalt und etwas fischig und – wir befinden uns schließlich in der zweitgrößten Stadt Portugals – ab und zu auch sehr dreckig. Aber taucht man regelmäßig in Matosinhos auf und vor allem ein, dann wird der Dreck schnell von den sehr freundlichen und aufgeschlossenen Locals wett gemacht. Auch was Surf-Equipment angeht, ist man hier auf jeden Fall an der richtigen Adresse. Es gibt viele Shops und Schulen und das dicke Neopren, das man hier oben ab Oktober/November auf jeden Fall braucht, ist im Winter zu erschwinglichen Preisen zu haben.
Der Süden von Porto
Wer es ein bisschen cleaner mag – nicht nur in Sachen Wasserqualität, der ist in Espinho gut aufgehoben. Das kleine Fischerdorf südlich von Porto ist mit der Bahn in ca. 20 Minuten zu erreichen. Der Pendlerzug aus Porto, vom Hauptbahnhof São Bento, fährt zwei Mal pro Stunde und ist die günstigste und einfachste Art, den Ort zu erreichen. Man kann direkt vom Bahnhof zum Spot runterwandern. Vom Line-up blickt man auf die alte, heruntergekommene Ruine eines Spielcasinos, weshalb der Spot den klingenden Namen Casino trägt. Vielerorts findet man im Norden solche Zeugen vergangener Zeiten. Überhaupt scheint der Norden Portugals diesen alten Wohlstand vor sich her zu tragen, wie Patina auf altem Silberschmuck. Viel Armut begegnet einem rund um die Stadt am Douro und mit dem einsetzenden Regen im Herbst und der schwindenden Sonne hat diese dann auch nichts Romantisch-Pittoreskes mehr. Portugal ist ein armes Land. Das sollte man sich immer vor Augen führen. Viele meiner portugiesischen Freunde mussten zurück zu ihren Eltern außerhalb der Stadt ziehen, falls sie sich eine Wohnung in der Stadt leisten können, leben sie in ärmlichen Verhältnissen.
Ungleich herzlicher und wärmer sind die Leute aber, wenn es darum geht ihre Wellen zu teilen. In Espinho verrät mir ein einheimischer Surflehrer, wo der beste Einstieg zu finden ist und an welchen Felsen ich mich im Wasser orientieren kann. Espinho ist eine schnelle rechte Welle, die an einer felsigen Mole über Sand bricht. Wenn Matosinhos flat ist, was bei der geschützten Lage der Bucht mal vorkommen kann, dann ist Espinho immer eine Alternative. Wer es schnell und kraftvoll mag, ist hier auf jeden Fall auch in größeren Bedingungen richtig. Die beste Zeit für Espinho ist bei Low Tide.
Entspannter und leerer, weil nicht nur ein einziger Point, ist dafür Cortegaça. Auch Cortegaça kann man super mit dem Pendlerzug aus Porto erreichen. Hier ragt ebenfalls eine Mole in den Atlantik, doch der Untergrund bringt mehrere Peaks hervor, weshalb sich die Lage etwas entspannt. Ein heißer Tipp ist den Strand etwa 20 Minuten in Richtung Süden runter zu gehen, hinter die nächste Mole. Dort liegt der wunderschöne, an einen Wald grenzende Spot Maceda. Man erreicht ihn nicht direkt mit dem Auto. Entweder man geht von Cortegaça aus den Weg am Strand entlang oder wandert ein Stück aus dem Dorf Maceda, das etwas im Landesinneren liegt. Bei West- und Nordwest-Swell, kann man hier herrliche saubere rechte Wellen fahren, die im Gegensatz zu Espinho auch nicht in einem hammerharten Close Out enden, sondern sanft auslaufen. Wenn es etwas größer ist, läuft auch eine linke Inside Richtung Mole. Die beste Zeit ist auch hier die Low Tide! Maceda hört meistens schon bei Mid Tide auf zu laufen.
Nördlich von Porto
Etwas komplizierter wird es, wenn man die Strände nördlich von Porto surfen will. Relativ leicht und schnell kommt man noch nach Leiça, wo die sandige Küste ab und zu von Felsformationen durchschnitten wird und ein paar großartige Wellen laufen. Vor dem Leuchtturm von Leça de Palmeira laufen bei fast allen Swell-Richtungen saubere Wellen in eine natürliche Bucht. Hier sollte man aber auf jeden Fall mit jemandem surfen, der sich auskennt! Es gibt überall Felsen.
Überhaupt wird die Gegend Richtung Norden rauer, felsiger, unberechenbarer. Wer mobil ist, sollte auf jeden Fall einen Abstecher an die großartigen Strände von Azurara und Aguçadoura wagen. Natürliche Dünenlandschaften sind dort durchzogen von scharfen Felsen und man findet endlose Beachbreaks. Und vor allem: sauberes Wasser. Ich habe mich oft gefragt, ob hier oben die größte Dichte nicht gesurfter Tubes herrscht. Kilometer über Kilometer von ungesurfter Küste. Und wenn man doch auf jemanden trifft, dann freut sich dieser meistens über Gesellschaft und kann einem garantiert auch noch sagen, wo es die nächsten gegrillten Sardinen gibt. Denn die sind nach einem langen Surf im kalten Wasser ein Muss.
Herbst und Winter
Wem es im Winter zu kalt ist, der sollte im Herbst oder Frühling die Reise in den Norden wagen. Im September und Oktober findet traditionell die Weinernte in den Hügeln um die Stadt herum statt: die Vindima. Eine schöne Tradition, bei der es lohnt dabei zu sein, denn wer wollte bitte nicht schon immer in einem riesigen Fass selbst gepflückte süße Trauben stampfen?! Im Herbst gibt es sogar noch im November Perioden warmen Wetters, zum Beispiel der sogenannte St.Martins-Sommer (Verão do São Martin). Lau ist die Luft, die St. Martin über den Douro trägt, die Stadt wird noch mal vergoldet bevor der lange Regen des Winters einsetzt und der Neoprenanzug hat eine Chance zu trocknen. Dezember bis Februar sind oft stürmisch und regnerisch. Nichts für zarte Gemüter. Zumal schon mal ein „Herkules“ vorbeikommen kann, der die Strandpromenade von Matosinhos flutet.
Frühling
Ab März/April wird das Wetter wieder besser, der Wind schwächer und die Leute wieder freundlicher. Denn das raue Klima schlägt auch so manch Einheimischen auf das Gemüt. Die Portugiesen pflegen dieses Gefühl auf höchstem Niveau mit ihrem Fado, der in der Region um Porto ungleich leidender und langsamer vorgetragen wird als im sonnigeren, urbaneren Süden, rund um Lissabon. Und der Sommer – ist natürlich sowieso empfehlenswert, wenn auch des Öfteren mal flat und überfüllt. Ohne Gehirnfrost bestimmt erträglicher zum Surfen. Aber mir kommt es fast so vor, als würden Sardinen und Portwein besser schmecken, wenn man aus einem 4`3er steigt und die letzten Sonnenstrahlen des Tages einem zum Niesen bringen.
The Ocean within
Wächst bei dir die Sehnsucht nach Sommer, Sonne und Surfen auch tagtäglich um mindestens einen ft an? Dann komm mit uns auf eine mentale Reise ans Meer! In der neuen Surf Ausgabe "The Ocean within" floaten wir zwischen den Wellen und tauchen tief in den Ozean ein. Die Stories in dem neuen Magazin erzählen vom Leben am Meer, abenteuerlichen Reisen und unserer Verbindung zum Salzwasser.