Jules Ahoi – Surfmusik aus Deutschland

Jules Ahoi erschafft mit seinem neuen Album DEAR___ Surfvibes

Den sympathischen, deutschen Surfer mit seinen langen blonden Haaren kennen wir spätestens seit der Veröffentlichung seiner „Echos“-EP. Julian, alias „Jules Ahoi“ begann seine Musik-Karriere, nachdem er sein Studium abgebrochen hatte und noch Frankreich zog, wo wer in seinem alten VW-Bus lebte. Seine Musik im Indiefolk-Stil vereint die Sehnsucht nach dem Ozean mit der Leichtigkeit des Strandlebens. Seit Mitte Juni gibt es sein erstes Album „DEAR____“, das sehr persönlich, emotional und mitreißend ist. Der perfekte Sound für den Sommer 2020. 

Jules Ahoi Surfmusik

Hi Jules, wie geht’s dir? Seit wir uns das letzte Mal in Portugal getroffen haben (Herbst 2016) ist viel passiert… Gerade erschien dein neues Album „DEAR____“.  Wie kannst du es beschreiben und wen möchtest du mit Dear ansprechen?

„DEAR ____“ ist das Resultat einer langen Suche. Nach mir selbst, persönlicher Freiheit und einem lang ersehnten Rückzugs-Ort. Auf dem Weg dorthin habe ich mich nicht nur persönlich hinterfragt, sondern auch verschiedene musikalische Blickwinkel ausprobiert. Alles in allem ist „DEAR ____“ das vielleicht persönlichste Werk in meiner bisherigen Diskographie – da steckt ne ganze Menge von dem privaten Julian drin, der ich nun mal einen Großteil meiner Zeit bin. Der Titel ist bewusst so gehalten, damit jeder Hörer persönlich einen Namen seiner Wahl auf den Unterstrich schreiben kann, um die Gefühle beim Hören bewusst zu kanalisieren. Ich hatte im letzten Jahr mit ner Menge Kram zu kämpfen und da es eben für mich persönlich mehr als nur einen Adressaten für dieses Album gibt, wollte ich diese Ambivalenz und Offenheit dem Hörer nicht vorenthalten.

Woher stammt die Inspiration zu den einzelnen Songs und wo sind sie entstanden?

Ich bin rückblickend mein halbes Leben nur unterwegs gewesen, immer musste ich weiter und länger weg als das Mal davor. Ich habe beinah manisch versucht den für mich perfekt passenden Ort zu finden, an dem ich glücklich bin – ich war geradezu getrieben von dieser Vorstellung. Für mich stand außer Frage, dass dieser Ort nirgendwo anders liegen könnte als am Meer. Dass ich mit dieser Suche einmal in Köln fündig werden sollte, hätte ich vor ein paar Jahren noch mit einem Lächeln abgetan. Nun ist dieser Fall eingetreten – ich fühle mich zum allerersten Mal in meinem Leben „Zuhause“… ein für mich völlig neues Gefühl. Ich glaube, gerade diese Suche und vor allem das Finden dieses Ortes, der sich gar nicht so arg weit weg befindet wie immer vermutet, waren auf jeden Fall eine große Inspirationsquelle, jedoch bei weitem nicht die Einzige. Einen Teil der Songs habe ich in einem kleinen Ort namens Madiha auf Sri Lanka geschrieben – auf der Suche nach Erholung von einem mit Rückschlägen und persönlichen Verlusten durchzogenem Jahr – hier reifte auch die Idee für das neue Album und die Verarbeitung dieser Ereignisse hat wohl den größten Anteil an diesem Werk.

Deine Musik wirkt sehr persönlich…. Ist sie dein Ventil, um Gefühle und Erlebnisse zu verarbeiten?

Absolut. Ich bin nicht besonders gut darin offen über Gefühle zu reden – zumindest nicht in der Tiefe und der Nähe, in der ich sie in meinen Songs verarbeite. Einen Song zu schreiben, ist für mich immer auch ein innerer Monolog, der mir den Weg zur Erkenntnis liefern kann. Ich brauche dieses Versinken in mir selbst, um neue Sichtweisen auf die Welt zu erlangen und um den auf mich einprasselnden Einflüssen meiner Umgebung Herr zu werden.

Jules Ahoi Surfmusik

Du hast auch einige spezielle Videos zu den Songs. Stammen die Ideen zu den Videos auch von dir?

Die Videokonzepte habe ich gemeinsam mit den jeweiligen Regisseuren erarbeitet und das macht einfach so unfassbar viel Spaß – ich lieb das einfach. Ich glaube, dieses Mal merkt man uns diesen Spaß sichtlich an. Man hat immerhin nicht jeden Tag die Möglichkeit mit 15 cm Absätzen einen Röhrenfernseher mit einem Baseballschläger zu zerschlagen (siehe „Oh, Agnes“ Video). Grundsätzlich sind Videos ein weiterer Baustein in der Message des Songs, die ich als Künstler transportieren möchte. Deswegen haben wir besonders bei „Oh, Agnes“ großen Wert auf die visuelle Umsetzung dieses Songs gesetzt, um die Wichtigkeit des Themas Gleichberechtigung und das Aufbrechen von klassischen Genderrollen zu unterstreichen.

Du hast lange Zeit (in deinem Bus) am Meer gelebt und hast jetzt wieder eine feste Basis in Deutschland. Wieso bist du wieder landlocked und wie weit hilft es deiner Musik an einem festen Ort zu sein?

Es hilft in so fern, dass wenn ich eine Idee habe, ich quasi ohne Umwege direkt ins Studio gehen und diese aufnehmen kann. Das habe ich mir immer so gewünscht und diese Möglichkeit macht mich gerade ziemlich glücklich. Es macht auch etwas mit der Musik – dadurch, dass diese ganzen Inspirationen so ungeschliffen und ungefiltert quasi im Moment des Entstehens aufgenommen werden, haftet der Musik etwas sehr Ehrliches und Klares an – das mag ich sehr.

Ich hatte immer den Traum am Meer zu leben und habe alles darauf gesetzt das zu schaffen. Als dieser Traum dann Wirklichkeit wurde, hat sich das gar nicht mehr so schön angefühlt wie ich mir immer erhofft hatte – ganz im Gegenteil: ich war ziemlich alleine, die Winter waren lang und trist und das Ganze hat total die Magic verloren, die mich jahrelang dazu bewegt hat mich immer und immer wieder in den Bus zu setzen und 21 Stunden durchzufahren, um bei Sonnenaufgang die Füße in den Atlantik zu halten. Ich habe dann für mich entschieden, dass mir dieser Stoke und diese Vorfreude aufs Meer und allen damit verbundenen Situationen wichtiger sind, als auf Teufel komm raus an meinem Traum festzuhalten. Unterm Strich war ich einfach nicht glücklich, weil das, was ich jahrelang als Ausgleich zu meinem zeitweise sehr hektischen Leben als Musiker hatte, plötzlich normal wurde und in jedem Moment verfügbar. Als mir das bewusst wurde, habe ich direkt die Zelte abgebrochen und bin zurück nach Deutschland gegangen. Eine sehr schwierige Entscheidung, aber definitiv die Richtige, denn jetzt freu ich mich wieder wie ein kleines Kind dahin zu fahren. 🙂

Wie wichtig sind Surfen und Reisen für deine Inspiration? 

Gar nicht so wichtig wie immer vermutet wird – ich surfe vor allem, weil es mich sehr ausgleicht und erdet und mich wie nichts anderes auf der Welt zurück in die Welt holt. Ich liebe das und brauche das Meer um Abstand von der doch zeitweise brutal hektischen Musikbranche zu bekommen. Natürlich fallen mir in solchen Momenten der Ruhe auch oft Zeilen oder Dinge ein, über die ich schreiben möchte – aber ich würde das nicht als Abhängigkeit, sondern als Co-Existenz beschreiben. Musik und Surfen sind zwei Dinge, die mir unfassbar wichtig sind, aber mit ziemlicher Sicherheit auch unabhängig voneinander in meinem Leben existieren würden.

Wann geht es wieder ans Meer?

🙂 Morgen.

Jules Ahoi Surfmusik

Durch Corona ist auch die Musikszene stark betroffen. Was bedeuten die Einschränkungen für dich und die Band und wie gehst du damit um?

Wir mussten über 50 Konzerte absagen und verschieben und es gibt so gut wie keine Aussicht auf Besserung momentan. Für die Musikbranche bzw. für alle Kulturschaffenden und Beschäftigte in der Kulturbranche ist das nicht nur schlimm – das ist eine Katastrophe von unvorstellbarem Ausmaße und wenn sich nicht bald etwas an der Situation ändert, werden wir noch lange die Auswirkungen dieser Krise spüren. Zu Anfangs waren wir alle glaub ich noch relativ zuversichtlich eingestellt, aber mit dem Andauern des Veranstaltungsverbotes fühlen wir uns zunehmend im Stich gelassen. Ich meine, wie kann man bitte logisch erklären, dass Flugzeuge mit 350 Passagieren vier Stunden auf engstem Raum nach Mallorca fliegen dürfen, aber Konzerte nach wie vor verboten sind? Da gehen einem ziemlich schnell die Argumente aus… Aber whatever – es liegt momentan nicht in unserer Macht und es bleibt nichts anderes übrig als zu hoffen! Wir machen jetzt alle einfach ein bisschen Urlaub, erholen uns vom Album-Release und nehmen Anlauf für alles, was dieses Jahr noch so kommt. Nächstes Jahr gibt es dann (hoffentlich) die lang ersehnte „DEAR TOUR“ und der (Festival-)Summer of Love. Wir haben Bock und bleiben positiv!

 Wie wichtig sind Live-Auftritte für dich?

Ich liebe es mit meiner Gang auf der Bühne zu stehen. Wir lieben das Tourleben und Konzerte zu spielen. Ich liebe vor allem auch den Bus, Essen, Handtücher und Sofas, Hotelzimmer und Isomatten (eher weniger) mit der Band zu teilen. Wir sind ein mega Team und wenn wir könnten, würden wir, glaub ich, nur noch auf Tour sein. Hach, da werde ich ganz sentimental… Die Energie, die bei unseren Konzerten freigesetzt wird, ist nicht mit Worten zu beschreiben und durch keinen Livestream und kein Autokino-Konzert zu ersetzen. Deswegen Daumen drücken und Maske aufsetzen, damit wir den Scheiß möglichst schnell in den Griff bekommen und wir uns bald alle wieder sehen können :)!

 Mit wem würdest du in Zukunft gerne mal einen Song aufnehmen?

Keine Ahnung, lass uns zwei doch mal einen aufnehmen!?

Jules Ahoi Surfmusik