Marion Haerty – dreifache Freeride Weltmeisterin
„Ich möchte in zehn Jahren Snowboard-Weltmeisterin werden!“ schrieb die damals 16-jährige Marion in ihr
Tagebuch. Heute, zwölf Jahre später, ist sie sogar dreifache Freeride-Weltmeisterin und das nach nur vier Jahren bei der Freeride World Tour! Wenn sie über Snowboarden spricht, fangen ihre Augen an zu strahlen und ihre Wangen bekommen einen rosigen Glow! Keine Frage, Marion liebt, was sie tut! Nichts ist inspirierender als sich mit Menschen zu unterhalten, die ihre Träume verwirklicht haben. Ihre positive Ausstrahlung, Motivation und Zuversicht sind immer ansteckend!
Hallo Marion, gratuliere zu einem weiteren Weltmeistertitel! Du hattest ja ein sehr erfolgreiches Jahr, neben der FWT hast du auch bei dem Film PULP mitgemacht. Wie war das?
Danke schön! Ja, das Filmen war nicht ohne. Zwischen meinen Wettbewerben der Freeride World Tour flog ich für das Video nach Kanada, aber dort waren die Schneebedingungen nicht gut. Dann ging es nach Japan, was auch eine Herausforderung war, da die Jungs aus meinem Team extrem gut im Backcountry sind und ich mit ihrem Level nicht mithalten konnte. Es war interessant und ich bin glücklich, dass ich ein kleiner Teil des Projekts sein durfte. Ich hoffe, dass ich in Zukunft vielleicht ein Videoprojekt mit Jess Kimura oder Leanne Pelosi machen kann! Außerdem hab ich einen kurzen Clip auf Island gedreht, der eine Mischung aus Kunst und Snowboarden ist und die Beziehung von Mensch und Natur darstellt. Dieser poetische Clip erscheint hoffentlich dieses Jahr noch.
Du sagtest in einem Interview, dass es in PULP auch um glücklich sein geht… Was macht dich glücklich?
Mich machen einfache Dinge wie der Sonnenauf- und –untergang glücklich, ein Kaffee, mit meinen Freunden zu lachen… Für mich gibt es keine Definition von Glück, es ist für mich eher ein nicht-traurig oder nicht-wütend sein.
In PULP fährst du mit deinen Teamkollegen / Freunden… wie sehr beeinflussen deine Freunde dein Fahren und dein Riding deine Freundschaften?
Meine Freundschaften beeinflussen definitiv auch mein Riding. Ich habe zum Glück viele männliche Freunde, mit denen ich die Leidenschaft teile und die mich immer weiter pushen. Leider ist es recht schwierig bei mir daheim in den Pyrenäen Snowboarderinnen zu finden. Beim Snowboarden geht es für mich auch darum, den Spaß und die Emotionen zu teilen. Du gibst und du bekommst zurück. Es geht nicht nur um dich, sondern um die Gemeinschaft. Glück verdoppelt sich einfach, wenn man es teilt.
Wie ist es bei der FWT zwischen den Frauen? Teilt ihr dort auch eure Gefühle, Ängste und Hoffungen?
Ja, auf der FWT ist es wie in einer Familie, es herrscht eine große Solidarität zwischen den Frauen und Männern. Wir motivieren uns gegenseitig, Frauen wie Männer. Ich hatte das Glück dieses Jahr von tollen Menschen umgeben zu sein, mit denen ich all meine Ups und Downs teilen konnte. Man fühlt sich einfach besser, wenn man über seine Ängste, Hoffnungen und Träume sprechen kann. Für mich ist es sehr wichtig, mir meiner Emotionen bewusst zu sein, denn sonst entwickelt man sich als Person nicht weiter. Aber es ist oft schwierig über Stress und Angst zu sprechen, da man schnell als schwach gilt. Mir half es aber enorm darüber zu sprechen, besonders mit den anderen Frauen. Wir haben uns gegenseitig sehr unterstützt.
Wie würdest du deine ganze Erfahrung „Freeride World Tour“ beschreiben?
Alles passierte super schnell! Ich gewann meinen ersten Weltmeistertitel in meinem zweiten Jahr, also knapp ein Jahr nach meiner ersten Teilnahme. Ich war darauf überhaupt nicht vorbereitet, da Freeriden für mich bis dato noch recht neu war. Ich komme ja aus dem Slopestyle. Ich musste also erst alles über die alpinen Gefahren, die Gletscherspalten, Lawinen, Schneebeschaffenheit, Hanglage und so weiter lernen. Das macht es super spannend, ich habe innerhalb meines Sports einen neuen Sport entdeckt. Es wird nie langweilig, denn ich lerne jeden Tag etwas Neues! Ich liebe es auch gerade so sehr in den Bergen zu sein: Ich kann jeden Tag einen neuen Gipfel besteigen, lerne wie man richtig abseilt, wie ich Kameraden in einer schwierigen Situation helfen kann und so weiter… Das ist super, super interessant!
Wer hat dir geholfen das Wissen in so kurzer Zeit anzueignen?
Ich habe das Glück von wirklich kompetenten Leuten umgeben zu sein. Im Winter lebe ich in Chamonix, wo mein Freund als Guide arbeitet. Eine gute Freundin dort ist auch eine erfahrene Alpinistin und wir sprechen viel über diese Themen. Außerdem besuchte ich einen Kurs nur für Frauen, in dem man lernt, wie man in den Bergen Touren führt.
Klingt spannend! Sorgt das dafür, dass du dich am Gipfel sicherer fühlst? Wie kannst du das Gefühl bei einem Contest kurz vor dem Drop in beschreiben?
Es ist eine besondere Art von Aufregung. Bei mir kommt im Schnee ein sechster Sinn dazu. Es ist ein Gefühl, das man in den Bergen bekommt, wenn der Geist und der Körper eins sind. Ich liebe es, da man im Flow Zustand ist: Nichts kann dich berühren, du bist super fokussiert und reagierst wie ein Tier nur auf dein Instinkt und Bauchgefühl. Dieses Gefühl findet man nicht im täglichen Leben. Es ist magisch.
Wie bereitest du dich auf diese Momente und den Run vor?
Meiner Meinung nach geht es in unserem Sport hauptsächlich um das Mentale. Du musst fokussiert, ganz im Moment sein und dir selbst vertrauen. Bei einem Contest hast du viel Druck: Die Medien, deine Freunde und deine Familie sind da – was einen auch stressen kann. Daher muss man sich auf sich selbst besinnen: Es gibt nur den Berg und dich!
Ich meditiere deshalb auch viel, versuche meinen Geist zu beruhigen und an gar nichts zu denken. Aber um einen Effekt zu spüren, muss man das wirklich täglich üben. Das schaffe ich meist nicht ganz, aber ich versuche es! Vor drei Jahren ging ich in ein Buddhistisches Zentrum, um tiefer in die Praxis einzutauchen.
Und um körperlich fit zu bleiben, mache ich viel Sport in den Bergen. Bis letztes Jahr war ich jeden Tag im Fitnessstudio, aber jetzt bin ich einfach jeden Tag in den Bergen und geh wandern, klettern oder biken. Das macht einfach mehr Spaß, ist vielseitig und so pushe ich mich mehr.
Arbeitest du auch mit Visualisierung?
Ja, auf jeden Fall! Am Tag vor dem Contest machst du ein Foto von dem Face und am nächsten Tag musst du vom Gipfel aus deinen Weg hinunter finden. Das ist unglaublich schwierig! Du brauchst ein gutes Gedächtnis und musst immer wissen wo du dich gerade befindest, denn wenn du den falschen Weg nimmst, kann das echt gefährlich werden. Deshalb visualisiert man den Run vorher immer und immer wieder.
Wie gehst du mit Angst um? Hält sie dich zurück oder pusht sie dich?
Ich denke Angst ist in den Bergen sehr wichtig, da sie dir die Grenzen zeigt und die Risiken bewusst macht. Ich finde es gut Angst zu haben, denn das heißt, ich kenne mich und meine Grenzen und es bewahrt vor Leichtsinnigkeit. Man muss die richtige Balance zwischen der Angst und seinem Engagement finden.
Wie schwierig ist es heutzutage eine Freeriderin zu sein? Kannst du davon leben?
Bis vorletzen Winter war ich bei Rip Curl und konnte mit ihnen ein paar Trips etc. machen, aber seit ich jetzt bei The North Face bin, ist alles ganz anders. Sie unterstützen mich dabei besser zu werden, sie respektieren mich als Athletin und möchten mich nicht nur als Model vermarkten. Ich kann mich jetzt ganz auf‘s Snowboarden konzentrieren. Trotz allem versuche ich dabei aber immer auf mein Herz zu hören und nur das zu tun, was mich glücklich macht. Als ich ein Teenager war, wollte ich den Jungs immer beweisen, was ich als Mädchen alles kann… Das ist jetzt nicht mehr so!
Inwiefern hat der Titel Weltmeisterin deine Karriere/dein Leben verändert?
Der Weltmeistertitel hat mein Leben über Nacht verändert! Die Gesellschaft macht aus dir plötzlich einen Superhelden. Aber ich bin immer noch ich und tue nur, was ich liebe. Ich habe mehr Respekt vor den Leuten, die bis Nachts im Büro arbeiten. Aber der Titel hilft mir mich weiter zu verbessern, mehr Projekte umzusetzen und mich als Person sowie Athletin weiter zu entwickeln.
Es scheint als wäre ein großer Traum in Erfüllung gegangen?
Ja! Mein Traum war es schon als Teenager einmal Snowboardprofi zu werden. Ich hab damals meine Vorbilder wie Anne-Flore Marxer, Leanne Pelosi oder Margot Rozies in den Magazinen bewundert und wollte wie sie auch um die Welt reisen. Ich hab sogar in mein Tage-
buch geschrieben: „In zehn Jahren möchte ich Weltmeisterin sein“! Und jetzt bin ich es!!! Wow, ich bin einfach so stoked und glücklich!! Doch nach der Erfüllung eines Traums, braucht man natürlich einen Nächsten… mein Traum ist es immer noch auf der FWT zu sein und so viel wie möglich zu Snowboarden.
Deine Träume haben sich bestimmt nicht einfach durch pures Glück verwirklicht. Was hast du für deinen Traum alles geopfert?
Ja, es war manchmal auch schwer für mich. Ich konnte zum Beispiel nicht zu den Geburtstagspartys gehen, meine Freunde nicht jeden Tag sehen und auch für meine Familie war es nicht einfach. Denn wenn man sich auf ein Ziel fokussiert, muss man in gewisser Weise auch egoistisch sein. Sie haben allerdings immer verstanden, warum ich so gehandelt habe. Ich versuche jeden Sommer viel Zeit mit den Menschen zu verbringen, die mir wichtig sind. Ich wäre auch ohne die Menschen um mich herum, meine Freunde und Familie, nie zu der Athletin geworden, die ich heute bin.
Welchen Tipp würdest du deinem jüngeren Selbst geben, wenn du könntest?
Glaube an dich, sei selbstbewusst und stark! Sei leidenschaftlich und folge deinem Herzen. Höre nicht auf andere.
Wo wir gerade über deine Jugend sprechen… Wo bist du aufgewachsen und wie hast du mit dem Snowboarden begonnen?
Ich wuchs in der Nähe eines Resorts auf und fing mit zehn Jahren an zu Snowboarden. Auf der Piste lernte ich den Coach vom Snowboardclub kennen, denn er erkannte meine Motivation und Leidenschaft. Ich hab damals schon die Snowboarderinnen in den Magazinen bewundert und wollte so sein wie sie. So wurde ich im Snowboardclub aufgenommen und wurde gefördert. Dann begann ich langsam mit Boardercross, Halfpipe und Slopestyle. Über vier Jahre lang nahm ich an internationalen Slopestyle Contests teil, aber es wurde mit dem Verband immer schwieriger. Ich wollte frei sein und in den Bergen Spaß haben, deshalb hab ich mit dem Freeriden begonnen.
Was liebst du am Snowboarden so sehr, dass du dein ganzes Leben danach ausrichtest?
Ich denke, es geht nicht nur um das Gefühl – auch wenn das verrückt ist – es geht mehr um die Reisen, die Menschen, die man auf der ganzen Welt kennenlernt und all die Erfahrungen, die man macht. Man wächst durch das Snowboarden, man lernt wie man mit seinen Emotionen umgeht und lernt so fürs ganze Leben.
Hast du eine Botschaft, die du gerne mit unseren Leserinnen teilen möchtest?
Folge deinem Herzen! Ich zum Beispiel versuche jeden nach diesen drei Wörtern zu leben: stolz, leidenschaftlich, mutig!
Hier geht´s zur unserer Riders Playlist mit Marion´s Lieblingssongs beim Freeriden und zum neuen Film mit Marion, den Frauen Snowboardfilm Facets.