Plastik. Ein Stoff, ohne den unser heutiges Leben wohl gar nicht mehr funktionieren würde. Plastik ist einfach überall, man nimmt es nicht einmal mehr wahr, und doch wissen wir so wenig über den Stoff, der einen großen Teil unseres Lebens bestimmt. Deshalb hatte ich mir vorgenommen mich etwas mehr mit dem Thema Plastik zu beschäftigen und entdeckte neben altbekannten Tatsachen auch viele neue, teils schockierende Fakten und Informationen. Tatsachen, die mich dazu brachten mein eigenes Verhältnis zum Konsum zu überdenken. Viele Sachen fielen mir viel bewusster auf: Warum braucht eine einzelne Zucchini eine Plastikverpackung? Warum steckt der Typ vor mir an der Kasse seine Banane in eine Plastiktüte, um sie direkt nach der Kasse zu essen und die Tüte in den Müll zu werfen? Wieso ist jedes Kleinteil meiner neuen Bindung in einer eigenen Plastiktüte verpackt? Wieso wird mir im Coffeeshop immer ein Plastikdeckel auf den Becher getan, auch wenn ich dort sitzen bleibe? All dieses Plastik ist für den ein-maligen Gebrauch konzipiert, hält jedoch für eine Ewigkeit. Aber fangen wir von vorne an:
Die Erfindung
Erfinder Charles Goodyear stellte 1839 fest, dass das Naturmaterial Kautschuk sich bei Hitzeeinwirkung durch Zusatz von Schwefel in Gummi umwandelt. Damit war der Grundstein für eine der größten Erfindung aller Zeiten gelegt. Etwas, das aus unserer heutigen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken ist: Plastik. Plastik bzw. Kunststoffe sind chemisch gesehen Verbindungen: Makromoleküle, die aus der Umwandlung von Naturprodukten oder aus synthetischer, also künstlicher, Umwandlung kleiner Moleküle entstehen. Die Basis für jedes Plastikprodukt ist Erdöl. Da Plastik aber in allen möglichen Formen und Farben vorkommt, steif oder biegbar sein kann, werden verschiedene Chemikalien (Weichmacher) zugefügt.
Egal wo ihr gerade seid, schaut euch einmal um. Wie viel Plastik seht ihr gerade? Ich wette es ist eine Menge, denn rund um mich herum sehe ich auch nur Plastik. Es sind aber nicht nur die Dinge, die mir auf den ersten Blick ins Auge stechen, denn beispielsweise auch Kleidung besteht im Grunde genommen aus Plastik. Doch wie viel wissen wir eigentlich über diesen Stoff, den wir an unserer Haut tragen, aus dem wir essen und trinken und der unser ganzes Leben begleitet
Wisst ihr zum Beispiel was BPA ist? BPA oder auch Bisphenol A ist ein Zusatz vieler Weichmacher, und damit auch in vielen Plastiken, mit denen wir im täglichen Leben im Kontakt sind, enthalten. Ach so ja, und es ist schädlich. Und es ist schon längst nachgewiesen, dass das BPA aus dem Plastik in die Lebensmittel übergeht. Trotzdem ist es noch erlaubt. Und BPA ist nicht der einzige schädliche Stoff, den wir Tag für Tag unbewusst zu uns nehmen.
Die Verpackung
Doch gehen wir von unseren Lebensmitteln mal einen Schritt weiter – die Verpackung. Ist euch schon mal aufgefallen, wie viel Verpackungsmüll Tag täglich anfällt? Wenn ich in meinem Mülleimer blicke, ist da mehr oder weniger nur Verpackung drin. Jeder Deutsche verbraucht im Jahr 76 Einweg- Tragetaschen, 39 dünne Plastiktüten und produziert über 500 kg Müll.
Doch was passiert mit dem ganzen Müll? Klar, da fällt uns das Zauberwort „Recycling“ ein. Aber so schön wie das klingt, ist es nicht. Denn Recycling bedeutet nicht zwangsweise, dass der nächste Käse wieder in der alten Verpackung steckt. Durch die vielen Zusätze in den Plastiken und die unbekannte Zusammensetzung wird das Pastik, das tatsächlich wiederverwertet wird, für Abflussrohre und ähnliches verwendet. Und auch die energetische Verwertung zählt zu Recycling – und das heißt auf gut deutsch: Müllverbrennung. Aber was passiert mit dem restlichen Müll, der nicht recycled wird? Bei uns in Deutschland wird der Müll deponiert. Irgendwo abgelegt. Bis sich Plastik wieder zersetzt, kann es teilweise mehrere hundert Jahre dauern. Leider landet bis heute, bewusst und unbewusst, noch immer ein großer Teil des Plastiks im Meer.
Müll im Ozean
Momentan befinden sich geschätzte 100 – 150 Millionen Tonnen Müll im Meer. Durch Strömung wird der Müll mitten in die Ozeane verfrachtet, wo er zum größten Teil für den Menschen unsichtbar ist. Viele haben sicher schon von der Müllinsel im Pazifik (Pacific Garbage Patch) gehört. Doppelt so groß wie Texas besteht sie nur aus Plastik. So wie man sich das vorstellt, ist es natürlich nicht: es ist keine Insel, die man sehen kann – vielmehr eine große Ansammlung an Plastikmüll verschiedener Größe, die sich zum größten Teil unter der Meeresoberfläche befindet. Und es gibt nicht nur eine dieser sogenannten Müllinseln, sondern über die Weltmeere verteilt finden sich fünf dieser Plastikansammlungen. Der Plastikmüll ist selbstverständlich nicht nur dort, das sind nur die Stellen, an denen er gehäuft auftritt. Mit der Zeit zersetzt sich das Plastik in immer kleinere Teile und so ist der Ozean voll mit Mikroplastik. Es wird vermutet, dass das Verhältnis von Plastik zu Plankton 6:1 ist – also 6x mehr Plastik als Plankton. Aufgrund dessen nehmen die Meeresbewohner viel Plastik auf. Und mit dem Plastik werden natürlich auch sämtliche Giftstoffe aufgenommen. Und landen am Ende wieder bei uns – da wir ja ganz oben in der Nahrungskette stehen – auf dem Teller. Aber nicht nur das Mikroplastik gefährdet Tiere und Fische auf unserem Planeten: Jährlich verenden über 1.000.000 Vögel und 100.000de von Tieren in Netzen, die im Ozean verloren gehen oder auch absichtlich entsorgt werden.
Plastic Paradise
Jemand, der sich auch mit dem Thema Plastik, genauer gesagt dem Pacific Garbage Patch, beschäftigt hat, ist Angela Sun. Angela hat die Dokumentation „Plastic Paradise: The Great Pacific Garbage Patch“ gedreht.
Für den Film reiste sie unter anderem zum Midway Atoll, einem Atoll auf halber Strecke zwischen Kalifornien und Japan. Das Atoll beherbergt unter anderem 70 % der weltweiten Albatros Population. Was man hier also erwartet sind pazifische Traumstrände und viele, viele Vögel. Die Vögel findet man auch dort, lebendig und tot, mit Mägen voller Plastik, zusammen mit Tonnen an Plastikmüll, der sich über die Strände des gesamten Atolls verteilt.
Allein in dem kleinen Atoll mitten im Pazifik wird jährlich Tonnenweise Plastikmüll angespült. Aber nicht nur mitten im Paradies machte sie einige Entdeckungen, die sicher nicht nur mich sprachlos machen. Wer sich näher mit dem Thema beschäftigen möchte, sollte sich Angelas Film ansehen. Angela hat sich etwas Zeit genommen, um mit uns über ihren Film zu reden:
Hi Angela. Gratuliere zu deinem Film. Was hat dich zu der Doku inspiriert?
Ich war schon immer vom Ozean sehr fasziniert und neugierig auf alles, was sich im Meer abspielt. Deshalb war es der nächste natürliche Schritt für mich, diese Geschichte zu erzählen. Ich bin Surferin, Taucherin und schon als Kind schaute ich Meeresdokumentationen und träumte davon später einmal selbst all diese Wunder in der Tiefe zu erforschen. Als ich dann 2006 durch einen guten Freund und Kollegen auf den Great Pacific Garbage Patch aufmerksam wurde, war ich sofort interessiert. Nachdem ich mich etwas in das Thema eingearbeitet hatte und ein paar Nachforschungen anstellte, fand ich heraus, dass es nur sehr wenige Informationen über das Thema gibt. Mir war klar, dass ich diese Story erzählen musste. Als jemand, der in den Medien sowohl vor als auch hinter der Kamera arbeitet, sah ich es als meine Pflicht über den Fußabdruck, den wir in den Weltmeeren hinterlassen, zu berichten.
Was ist die Botschaft von Plastic Paradise?
Ich möchte damit erreichen, dass sich die Menschen etwas bewusster machen, wie viel unnötiges Plastik wir jeden Tag benutzen. Je mehr wir darüber wissen, desto eher kann auch etwas passieren und desto mehr fühlen wir uns auch für unsere Umgebung verantwortlich. Eine Veränderung beginnt immer mit kleinen Schritten. Ich wünsche mir, dass die Zuschauer von der Müllinsel erzählen, um sich selbst bewusster zu werden, wie viele Einweg-Artikel wir täglich wegwerfen – und wie unnötig diese oft sind. Ich hoffe, dass diese Erkenntnis bei den Bürgern den Drang nach Veränderungen ihrer Lebensgewohnheiten weckt: Alles zu überdenken und auch mal Nein zu sagen. Ich denke aber auch, dass die Regierung Maßnahmen ergreifen muss und auch die Produzenten Verantwortung übernehmen müssen, um wirklich etwas voran zu bringen. Der Film zeigt die Sicht eines Laien, eines Otto-Normalverbrauchers auf die alarmierende Plastikverschmutzung und wie es unsere Gesundheit und unser tägliches Leben beeinträchtigt.
Du hast erwähnt, dass du allein drei Jahre dafür gebraucht hast eine Genehmigung für die Reise nach Midway Island zu bekommen. Wie lange hast du insgesamt an dem Film gearbeitet?
Ich arbeite immer noch daran! Auch wenn der Film an sich fertig ist, gibt es noch so viel zu tun. Der Filmdreh und die Produktion haben gute sieben Jahre gebraucht. Ich bin sehr dankbar für die vielen Menschen und auch Freunde und Kollegen, die mich dabei unterstützt haben.
Ich habe auch ein paar bekannte Gesichter in Plastic Paradise gesehen: Gretchen Bleiler, Dave Rastovich und Jack Johnson. Wie kam es denn dazu?
Lustig, dass du fragst. Ich habe Dave Rastovich erst gestern erzählt, dass ich mit euch im Kontakt bin. Ich war eigentlich in Honolulu, um einen Freund zu unterstützen, der bei einem Marathon mitmachte. Bei der Gelegenheit schaute ich kurz an die North Shore zum Pipe Masters. Wie sich rausstellte war Lay Day. Als gute Dokumentarfilmerin hatte ich aber meine Kamera für den Fall, dass etwas passiert, dabei. Eigentlich suchte ich Kelly Slater. Ich habe ihn zwar nicht gesehen, stattdessen kam aber Rasta aus dem Wasser und er war so nett sich für ein kleines Interview bereit zustellen. Jack Johnson traf ich auch eher zufällig. Ich hatte davor schon monatelang erfolglos versucht sein Manage-ment zu erreichen, um einen Termin für ein Interview zu vereinbaren. Und dann dachte ich mir, ich gehe einfach mal zu einem seiner Konzerte und schaue was passiert. Und so besuchte ich ohne eigentlichen Plan seine Show in Berkeley und hoffe darauf, ihm zufällig zu begegnen. Ich interviewte dort aber auch eine gemeinnützige Organisation, die er unterstützt und das war mein Ticket, um zu ihm zu kommen. Glücklicherweise begrüßte er nämlich kurz entschlossen vor seinem Konzert persönlich die Vereine der Universität. Mal wieder kamen diese Interviews nur durch Hartnäckigkeit, Entschlossenheit und Glück zustande. Gretchen kenne ich schon seit längerem durch meine Arbeit. Ich arbeite auch als Moderatorin im Fernsehen und habe sie interviewt, als ich Host der Winter X-Games war. Über die Jahre sind wir uns immer wieder über den Weg gelaufen und als ich sie 2010 zu den Olympischen Spiele interviewte, erzählte sie mir von Alex Bottle, ihrem Brand für Trinkflaschen. Deshalb habe ich sie gefragt, ob sie bei meinem Film dabei sein möchte. Gretchen ist ein tolles Vorbild. Sie redet nicht nur, sondern handelt auch!
Du bist auch Surfer und Snowboarder. Haben sich für dich dadurch auch neuen Sichtweisen ergeben?
Auf jeden Fall. Ich denke, Snowboarder und Surfer setzen sich besonders für die Natur ein, da die Natur ja auch unser Spielplatz ist. Wir sind da draußen und erleben die schädlichen Auswirkungen, die durch die Vermüllung unseres Planeten entstehen, selbst. Außer-dem ist man als Surfer auch sehr abenteuerlustig, da man ja ständig auf der Suche nach den besten Wellen ist :).
Im Film waren viele unschöne Dinge zu sehen. Vögel mit Mägen voller Plastik, Fische und Säugetiere, die in Fischernetzen verendet sind. Was hat dich am meisten schockiert?
Für mich war es am schockierendsten herauszufinden, wie all die Chemikalien aus dem Plastik am Ende in meinem Körper landen. Was ich in Midway besonders schlimm fand, war, dass man alle paar Meter einen Ort sieht, an dem mal ein toter Vogel lag. Man erkennt es allerdings nicht daran, dass dort ein Kadaver ist, sondern weil überall kleine Plastikhaufen anstelle von Knochen und Federn liegen. Das war echt ein Schlag ins Gesicht. Da merkt man mal wieder, dass Plastik wirklich für immer hält.
Wie kann man deiner Meinung nach das Problem lösen?
Wir müssen da an mehreren Stellen ansetzen. Wir können nicht gegenseitig mit dem Finger auf den andere zeigen. Alle müssen mit anpacken, wenn wir einen Schritt in die richtige Richtung machen wollen: Industrie, Plastik-Produzenten, Wissenschaftler, Wirtschaft, Konsumenten, Aktivisten und die Regierung. Alles beginnt natürlich damit auf das Problem aufmerksam zu machen und so ein Bewusstsein dafür zu schaffen, bevor man eine Lösung finden kann. Ich kann nur aus der Sicht eines Journalisten reden. Wenn man aber zum Beispiel das Rauchen nimmt, und sieht, wie „uncool“ es in der Zwischenzeit geworden ist: Die Konsumenten wollten Veränderung, die Regierung ging darauf ein und dadurch wurde die Industrie zum Umdenken gezwungen. Jetzt sieht man immer mehr E-Zigaretten und eine generelle Gering-schätzung des Rauchens (auf jeden Fall in den USA). Alles beginnt mit einer Botschaft und diese mit der Kraft von bewegten Bildern in den Medien zu verbreiten. In Europa sind die Gesetze zur Kontrolle von Lebensmittel glücklicherweise viel besser und die Bürger sind wesentlich engagierter als der durchschnittliche Amerikaner.
Was kann jeder von uns tun?
Mit Kleinigkeiten anfangen. Erstmal Nein sagen. Dann natürlich weniger Müll produzieren, Dinge wiederverwenden, recyclen. Trinkflaschen und wieder verwendbare Behälter benutzen. Oder einfach mal Nein zu einem Plastikdeckel im Coffee Shop sagen. Nach einem „to stay“ verlangen, auf Strohhalme verzichten, eigenen Taschen in den Supermarkt mitbringen, in größeren Menge kaufen statt viele einzeln verpackte Kleinteile. Da gibt es noch viel mehr, aber ich glaube, viele dieser Dinge sind in Deutschland und Europa schon wesentlich gängiger als hier.
Wie hat sich dein eigenes Leben mit dem Film verändert? Was hast du für dich selbst gelernt?
Es hat jeden Aspekt meines Lebens beeinflusst. Ich weiß, es ist schwer, all diese kleinen Veränderungen zu machen, aber ich habe sie schon in mein tägliches Leben integriert. Außerdem ist mit klar geworden, dass wenn ich eine Traum habe und fest daran glaube, ich es auch schaffen kann. Ich hätte niemals im Leben gedacht, dass ich eine filmreife Dokumentation produzieren würde.
Last words:
The only person you should try to be better than, is the person you were yesterday.